■ Das Land mit der höchsten Roboterbevölkerungsdichte: „In Japan ist alles so klein“
Düsseldorf (taz) – Der Löwentanz hat in Japan alte Tradition. Mit wilden Sprüngen und Verrenkungen erflehen die Tänzer in Maske und Zottelmähne gute Ernte und jagen böse Geister von hinnen. Das Ganze erledigt jetzt ein Roboter. Angetan mit Umhang und grimmig mit seinem hölzernen Fletschmaul klappernd, schwenkt er durch die Luft. Seine Kapriolen hat er auf zwei Zehntelmillimeter genau unter Kontrolle. Sein wahrer Name lautet „Motoman-K 10S“. Er ist eigentlich ein ganz normaler Industrieroboter aus Japan und derzeit abgestellt zur Traditionspflege im Rahmen einer japanischen Wirtschaftsausstellung in Düsseldorf (Landesmuseum Volk und Wirtschaft, noch bis 26. September).
Gleich nebenan bittet Motomans zierlicherer Kollege „Movemaster RV-2“ zum Tic-Tac-Toe- Spiel. Behende und ohne Bedenkzeit greift er nach seinen Figuren und setzt sie aufs Feld. Gestern habe ihn ein Ausstellungsbesucher tatsächlich geschlagen, erzählt hinterher die Hosteß, während Movemaster alles wieder akurat aufräumt. Kein Wunder, daß ich heute über ein Remis nicht hinausgekommen bin: Movemaster lernt nämlich dazu. Zugkombinationen, die zu seiner Niederlage führten, wählt er nicht wieder. In einer Ecke wartet „Monsieur“, der kleinste Roboter der Welt (siehe auch das 94er Guinness-Buch der Rekorde) und damit geradezu die späte Inkarnation von Tucholskys bekannten Gedichtzeilen: „In Europa ist alles so groß, so groß – und in Japan ist alles so klein!“ „Monsieur“ mißt gerade einen Kubikzentimeter und sieht aus wie eine Maus mit Fühlern. Leuchtet man das Technotierchen mit einer Taschenlampe an, kommt es herbeigekurvt – maximale Geschwindigkeit 14,7 Millimeter pro Sekunde. Der kleine Herr besteht aus 98 Uhrenbauteilen; viele davon könnten glatt als Hausstaubpartikel durchgehen. Einen praktischen Nutzen, übers reine Entertainment hinaus, scheint er noch nicht zu haben, aber das kann ja noch werden, in der Medizin zum Beispiel (vielleicht als U-Boot in der Vene oder als der sprichwörtliche Mann im Ohr).
Die Ausstellung dokumentiert es einmal mehr: Japan ist das Land mit der höchsten Roboterbevölkerungsdichte. Etwa jeder dreißigste japanische Arbeitnehmer ist gar keiner, sondern ein Roboter. Und das nicht mehr nur in Branchen wie der Elektro- oder Autoindustrie. Schon putzen die vollautomatischen Gesellen Eisenbahnwagen und Bahnhöfe. „Wachmänner“, einszwanzig groß und mit Kamera und Feuerlöscher ausgerüstet, drehen unbekümmert ihre nächtlichen Runden. Ein Blindenhund-Roboter ist gerade in der Entwicklung, und Roboter, die Kranke pflegen, soll es auch schon bald geben.
Ein weiteres, noch dazu enorm dankbares Betätigungsfeld läßt der Hinweis der Firma Mitsubishi erahnen, daß nämlich ihr Movemaster RV-2 „sich auch hervorragend für Werbeveranstaltungen in Geschäften und für Showeinlagen“ eignet. Welche Gaudi im Musikantenstadl, wenn der Schuhplattler endlich voll computergesteuert und hydraulisch auf die Bretter kommt, welches Aufatmen, wenn zählebige Showmaster durch Movemaster freigesetzt werden, die sich zudem im Werbeblock Markenkaffee und anderes hinter die stählerne Binde kippen können – ohne zu zittern.
Apropos Binde: Die Japaner haben die Grundlagen ihres heutigen Vorsprungs in der Roboterisierung lästiger Lebensvollzüge offenbar frühzeitig gelegt: Schon im 18. Jahrhundert baute ein gewisser Takeda Ohmi eine Tee-Serviererinnen-Puppe, die brav loslief, sobald man ihr eine Tasse Tee aufs Tablett stellte. Olaf Cless
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