■ Das Portrait: James Maybrick
Was haben der Herzog von Clarence, ein Enkel Königin Viktorias, der englische Maler Walter Sickert und der irische Schriftsteller Oscar Wilde gemein? Sie sind alle verdächtigt worden, Jack the Ripper zu sein. Jetzt ist „das größte Mordrätsel der Welt“ angeblich gelöst: James Maybrick war's. So steht es jedenfalls im „Tagebuch von Jack the Ripper“ von Shirly Harrison, das in zwei Wochen beim englischen Verlag Smith Gryphon erscheint. Grundlage für das Buch ist das Tagebuch James Maybricks, das letztes Jahr auf obskure Weise aufgetaucht ist. Der Ripper hatte 1888 im Ost-Londoner Stadtteil Whitechapel mindestens fünf Prostituierte ermordet. Die Verbrechen wurden nie aufgeklärt. Der Verlag behauptet nun, daß Maybricks Tagebuch die Lösung enthält: „Oh, welche Taten ich begehen werde“, heißt es dort. „Denn wie könnte jemand vermuten, daß ich zu solchen Dingen fähig wäre.“ Und, kannibalistisch: „Ich werde es kochen und mit frisch eingelegten Karotten essen.“
War er Jack the Ripper?
Auf der letzten Seite unterschrieb Maybrick, so Smith Gryphon, mit: „Yours truly, Jack the Ripper“. James Maybrick war ein wohlhabender Baumwollhändler aus Liverpool, der angeblich regelmäßig Bordelle besuchte – auch nachdem er am 27. Juli 1881 seine US-amerikanische Freundin Florence geheiratet hatte. Das Ehepaar wohnte im Battlecrease House, einer geräumigen viktorianischen Villa in Liverpool. Dort wurde er im November 1888 von seiner Frau mit Arsen vergiftet. Florence Maybrick mußte für 15 Jahre hinter Gitter. Im November 1888 hörten auch die Frauenmorde in Whitechapel auf. War Maybrick also der Ripper? Ein Vergleich seines Testaments mit dem Tagebuch spricht dagegen: Die Handschriften sind völlig verschieden. Außerdem erwähnte Florence in ihrem Prozeß mit keinem Wort, daß ihr Mordopfer in Wirklichkeit der Ripper war, obwohl sie laut Tagebuch eingeweiht war. Und der US- Verlag Warner Books, der ursprünglich 200.000 Exemplare von Harrisons Buch bestellt hatte, zog den Auftrag vor 2 Wochen zurück, nachdem Kenneth Rendell, der bereits die Hitler-Tagebücher als Fake entlarvt hatte, Maybricks angebliches Tagebuch auf 1921 datierte. Ob das Tagebuch echt ist, spielt jedoch längst keine Rolle mehr: Dank des Werberummels wird es auf alle Fälle ein Bestseller. Ralf Sotscheck
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