■ Filmstarts à la carte: Oh Moon of Hongkong!
Lange genug mußte man ja warten, aber nun ist Clara Laws Film Autumn Moon endlich eingetroffen, und er fühlt sich der Länge nach an wie ein Morgen auf der Veranda bei gutem Tee, in guter Brise vom Meer, mit gutem weißen Leinen um die Beine. Zwei junge Menschen, ein Tokioter Bube mit viel Lebenserfahrung unter dem Walkman und ein präpubertäres Mädchen aus Hongkong, begegnen sich auf einem Spazierweg gegenüber der ernsthaft postmodernen Skyline der Kronkolonie. Er tut fischen und versteht kein Hongkongisch. Irgendwann werden sie gemeinsam kleine brennende Papphäuschen aufs Meer schicken.
Man findet ganz lange nicht heraus, ob die Regisseurin es eigentlich gut meint mit Big City oder nicht. Alles schreit Funktion!!! reibungslooos! schöön! aber daran ist nichts schlecht! Es ist, in einem ganz urtümlich Bauhausschen Sinn, sogar großartig; fühlt sich hell an, klar und übersichtlich, auch wenn mitunter der Verdacht aufkommt, die beiden Kinder könnten doch ein bißchen Hensel-und-Gretel-artig verloren sein in diesem Karamelparadies.
Ihre Familie ist kurz vor der Emigration und sie kurz vor der ersten Periode; bald wird alles losbrechen, versteht man; die alte Großmutter wird sterben, aber deren Götter werden einen heimsuchen. Nachmittags sitzen die Teens unter einer Brücke, wo selbst das Wasser neonlustig schimmert, man wartet, daß die gute Hexe von Oz aus der Tiefe geschossen kommt, aber der Film bleibt diesseitig wie ein Fisherman's Friend.
Was man gern liest: Vom Forum der Berlinale übriggeblieben ist Fearless Nadja, ein Dokumentarfilm über eine Dame, die zigfach bemerkenswerter ist als Kim Basinger, weil sie sich nämlich durch einen gewissen schlampigen Witz auszeichnet. Sie könnte als mopsige Variante von Harpo Marx durchgehen, denn auch sie hat in gewisser Weise eine Sammlung von Hupen im Mantel. Sie war die Tochter eines englischen Kolonialbeamten, die mit ihren Eltern von Australien nach Indien zog und dort in den dreißiger Jahren Stummfilm-Aktrice wurde (nicht ohne vorher Tanz und Lied des Inders studiert zu haben). Als man aber vorsichtig mit Adaptionen von Douglas Fairbanks Sitcoms für indische Verhältnisse begann, stieg sie auf weiße Pferde, galoppierte durch Berg und Wald und konnte mitunter recht derb zudreschen. Das Lustige daran war diese Kombination aus Mae-West-Sex und dieser gewissen Trotteligkeit, die man ihr gern als Harmlosigkeit des Herzens auszulegen gewillt ist. Den Robin Hood, der dabei mitunter herauskommt, nimmt man ihr genauso ab wie daß manchmal am Strand die Hosen fallen. Unbedingt ansehen.
Apart kombiniert hat das Arsenal für die Reihe „Der Pakt mit dem Teufel“ einen Mitternachtsfilm des späten Kenneth Anger, die Biker-Orgie Lucifer Rising, mit einem hierzulande mehr oder weniger unbekannten, aber deshalb nicht weniger höllischen Film von Luis Buñuel aus den 60er Jahren: Simon in der Wüste. Aus beiden Filmen erfährt man, daß das Fleisch weder schwach noch willig ist, und daß Leder in diesem Fall nur helfen kann und Gutes tun.
Folgendes: Im Sommer des Jahres 1936 kauft sich ein 16jähriger Fleischergeselle aus Pommern von seinem Ersparten ein Fahrrad, um in der Reichshauptstadt einmal nach den Spielen zu sehen. In Berlin gibt's Erbsensuppe. Eine Witwe schaut ihm zu...
Der Film heißt Der olympische Sommer von Gordian Maugg und ist womöglich ein sinnvoller Nachtrag zum Riefenstahl-Spektakel.mn
Überregional startende Filme werden auch auf den Kulturseiten der Donnerstagsausgabe besprochen.
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