■ Filmstarts à la carte: Symphonie des Grauens
Das Moviemento hat diese Woche zu bieten: Einen Irren, einen Stummen und schließlich Zwerge. Wahn und Besessenheit als wirklichkeitsgestaltende Kräfte – das ist schön, das ist turbulent, das ist das Leben. Drei Filme aus der frühen Schaffenszeit des Werner Herzog sollten uns schon mal durch diese Woche bringen. Wer dann noch meint, er sei ein unverbesserlicher Optimist, fest im Glauben, daß die Welt dereinst n i c h t zur Hölle fahren werde, dem ist eh nicht mehr zu helfen. Man spreche nur diese Titel laut aus: „Auch Zwerge fangen klein an“, „Aguirre, der Zorn Gottes“, „Jeder für sich und Gott gegen alle“. Nur der Kluge konnte das genauso gut.
In Auch Zwerge fangen klein an von 1969 ist der Direktor nur mal kurz abwesend, und schon üben die kleinwüchsigen Insassen des von ihm regierten Erziehungsheims die Kunst der Revolte, vergeblich. In Jeder für sich und Gott gegen alle soll das Findelkind Kaspar Hauser lernen, zivilisiert mit Messer und Gabel zu essen und andere feine Manieren lernen. Gerade ist er soweit, da wird er auch schon hinterrücks gemeuchelt. Und schließlich Aguirre, der Zorn Gottes, 1972. Kinski als spanischer Conquistador auf der ultimativen Suche nach dem sagenhaften El Dorado, dem idealen Staat und einem neuen Menschengeschlecht – allein und dem Wahnsinn verfallen stirbt er auf einem dahintreibenden Floß. Da hilft hinterher auch kein stärkendes Nerventonikum mehr.
Ersterbende Seufzer und spinnendünne Finger, die sich um deinen Hals legen: Blut, Knoblauch und Pfähle, die durchs Herz gebohrt werden, Tod und Verdammnis, wohin man auch blickt. Das Eisenstein zeigt diese Woche Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens. Der Urstoff aller Dracula-Filme wurde 1922 von Murnau verfilmt. Max Schreck, bleich, mager und todtraurig, ist der schaurigste aller Untoten. Polanski besetzte den Grafen in Tanz der Vampire dagegen mit einer Art Siegfried. So blond und schön, von so gewinnendem Lächeln, daß man ihm mit Vergnügen sein Hälschen hinhält. Der Meister selbst brilliert in der Rolle des Adlatus Alfred.
Den Hut in kecker Schräglage, eine Knarre in der Hand und einen herzhaften Fluch auf den Lippen. So lieben wir ihn. Das Arsenal zeigt am Montag Public enemy, mit James Cagney in seiner besten Rolle. Frei nach der Lebensgeschichte des Chicagoer Gangsterbosses Hymie Weiss (Namen hatten diese Leute) erzählt Regisseur William A. Wellmann vom Aufstieg und Fall eines Großstadtgangsters. Ich erinnere mich nicht mehr genau, ob das der Film mit der berühmten Szene ist, in der Cagney einem nervenden Flittchen am Tisch seine Morgengrapefruit ins Gesicht drückt. Eins jedoch ist gewiß: Die weibliche Hauptrolle hat Jean Harlow nur bekommen, weil die göttliche Louise Brooks lieber Urlaub mit einem Liebhaber machen wollte statt schon wieder einen dusseligen Film. Heh, wie wärs übrigens mal mit einer Brooks-Retro?
Aus Anlaß seines 90. Geburtstages hat sich der Stummfilmpianist Willy Sommerfeld einige seiner Lieblingsfilme ausgesucht, um sie musikalisch zu begleiten. Unter dem Motto „Herzlichen Glückwunsch, Herr Sommerfeld!“ zeigt das Arsenal am Wochenende Der brennende Acker von Murnau und The Last Command von Josef von Sternberg. Wir gratulieren!
Und zum Schluß noch ein herziger Filmtip für die Kleinen: Der schwedische Film Madita erzählt die Geschichte eines kleinen Mädchens, das „ganz schön verdreht“ ist und sein Taschengeld mit Wetten aufbessert. Die Vorlage zu dem schwedischen Kinderfilm lieferte Astrid Lindgren.Anja Seeliger
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