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Devils Euro-Sieger

Gestern morgen gegen neun Uhr holten sie noch einmal das letzte aus ihren Kehlen. „Blue Devils“ und „Allez les bleues“ schallte es heiser im Altonaer Bahnhof. Gerade war der Blue Devils-Sonderzug aus Stuttgart angekommen, fast 800 Fans feierten den 21:14-Sieg ihrer Teufel gegen die Aix-en-Provence Argonauts aus Frankreich.

Zehn Stunden vorher hatte das Geschrei noch klarer geklungen. Im Gottlieb-Daimler-Stadion lagen sich Spieler, Fans und Cheerleader in den Armen. „Endlich haben wir den ersten Platz erreicht“, jubelte Offense Guard Rolf Gerhold. In den Jahren zuvor hatten die Hamburger stets das Nachsehen gehabt – 1994 im FLE-Endspiel gegen Stockholm und 1995 in der German Bowl gegen Düsseldorf. Als es klappte, brachen alle Dämme. Defense-Line-Riese Michael Karg vergoß Tränen, Center Lutz Gernert versteckte seine Gefühle hinter einer dunklen Brille.

Football-Hoch in Hamburg – aber in Stuttgart muß man noch einiges lernen. Trotz starker Bemühungen wird dieser Sport in Deutschland nur schwer das Image einer aufgeplusterten Show-Veranstaltung los. Ein Stadionsprecher, der kein vernünftiges Wort Englisch sprach, keine mitlaufende Spieluhr, Cheerleader-Vorstellungen, die die Blue Angels-verwöhnten Zuschauer nur mit den Köpfen schütteln ließen – so wirkt jeder ernsthafte Versuch, Football zu etablieren, lächerlich. Die Besucher reagierten auf ihre Weise. Statt 23 000 Fans im Vorjahr kamen dieses Mal nur 17 000.

Doch diese wenigen sahen hochwertigen Sport. Im ganzen Spiel leistete sich keine Mannschaft einen Ballverlust. Devils-Coach George White sah aber noch einen anderen Grund für den Sieg: „Als wir 6:7 zurücklagen, habe ich gesagt: ,Denkt an 1993.' Damals haben wir Aix schon einmal geschlagen – das mußten wir nur wiederholen.“ Überragender Scorer war Wide Receiver Simon Morris. Zwei Touchdowns und eine Two-Point-Conversion gingen auf sein Konto. Außerdem fing Max von Garnier einen weiteren Touchdown, Mirko Läpple gelang per Kick der letzte Punkt.

Der Mann mit der Nummer 58 war aber später aus einem anderen Grund gefragt: Läpple ist gebürtiger Stuttgarter und führte seine Kollegen in der Nacht zum Feiern durch die Stadt. Die Fans im Sonderzug waren da wohl gerade irgendwo zwischen Frankfurt und Kassel.

Lars Pegelow

Siehe auch Leibesübungen

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