: Eine Schnapsidee mit Milliardenwert
Guinness will ins Buch der Rekorde: Die Brauerei plant, den Alkohol- und Nahrungsmittelkonzern Grand Metropolitan zu übernehmen. Indiskretionen sollen Aktien in die Höhe treiben ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Es wäre der Rausch des Jahrhunderts: „Project Reflektion“ heißt es harmlos, doch dahinter verbirgt sich der größte Spirituosen-Deal der Geschichte. Dem britischen Sunday Telegraph sind Unterlagen zugespielt worden, aus denen hervorgeht, daß Guinness 13,2 Milliarden Pfund (rund 31 Milliarden Mark) für Grand Metropolitan bieten will. Damit wären die führenden Schnapsmarken in einer Hand: Johnnie Walker, Gordon's Gin, Baileys, Bell's, Smirnoff, Malibu, Cuervo Tequila.
Die Pläne wurden der Geschäftsführung vor knapp drei Wochen von den Lazard Brothers, den wichtigsten Guinness-Beratern, vorgelegt. Guinness heißt in dem Geheimpapier „Ulysses“, das Objekt seiner Begierde, Grand Metropolitan, wird mit „Venus“ umschrieben.
Da Guinness selbst nur 9,1 Milliarden Pfund (21,5 Milliarden Mark) wert ist und die Banken bei dem avisierten Grand-Metropolitan-Preis weiche Knie bekommen würden, müßte Guinness sich nach der Übernahme schleunigst von Geschäftszweigen trennen. Geplant ist unter anderem, Grand Metropolitans US-Lebensmittelfirmen Pillsbury, Pet und Häagen Dazs sowie die britische Burger King abzustoßen. Guinness würde seinen Brauereizweig verkaufen, der nicht nur das berühmte schwarze Bier herstellt, sondern auch die Marken Harp und Kilkenny. Insgesamt kämen nach Abzug der Kapitalzuwachssteuer 10 Milliarden Pfund (23,7 Milliarden Mark) zusammen. Übrig blieben dann die beiden Spirituosen-Riesen „United Distillers“ und „International Distillers and Vintners“, zusammen der größte Schnapskonzern der Welt.
Lazard Brothers prophezeien, daß Guinness im nächsten Jahr 125 Millionen Pfund (296,25 Millionen Mark) allein durch Auflösung der Grand-Metropolitan-Verwaltung und Zusammenlegung der Marketingabteilungen einsparen könnte. Der Umsatz würde von 4,7 Milliarden Pfund (11,14 Milliarden Mark) 1995 auf 7,1 Milliarden (16,8 Milliarden Mark) steigen, der Gewinn läge 1997 bei 1,26 Milliarden Pfund – eine erhebliche Steigerung im Vergleich zu den 876 Millionen im vorigen Jahr.
Von den Kartellgesetzen ist in dem Papier keine Rede. In Brüssel und den USA wird das Geschäft auf Schwierigkeiten stoßen. Hinzu kommt, daß der Artikel im Sunday Telegraph den Deal vermasseln könnte: Grand Metropolitans Aktien werden nun steigen, wodurch eine Übernahme für Guinness wahrscheinlich zu teuer wird. Das war mit der gezielten Indiskretion wohl auch beabsichtigt.
Für diesen Fall gibt es einen alternativen Plan: eine Entfusionierung des Guinness-Konzerns. Lazard Brothers schlagen vor, den im Kern irischen Brauereizweig von den Spirituosen zu trennen. Die Brauerei ist 2,94 Milliarden Pfund wert, in diesem Jahr erwartet man einen Profit von 256 Millionen vor Steuer. Eine Aufsplittung, so rechnen die Lazard Brothers, würde den Aktienpreis beider Teile in die Höhe treiben.
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