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■ KolumneFrüher war's besser

Sie existieren tatsächlich, diese Menschen, die glauben, früher sei alles besser gewesen. Zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse wurde vor einiger Zeit sogar ein spezielles Versandhaus gegründet, das technologisch veraltete und überteuerte Gegenstände verkauft. Man kann dort handgeschöpfte Cordhosen mit Knöpfen aus „Ledernüßchen“ bestellen und nach Originalrezept von 1905 hergestellte Zitroneneölseife, drei Stück in einem Holzkasten für dreißig Märker. Der Laden, der mit dem Spruch wirbt: „Es gibt sie noch, die schönen Dinge“, brummt.

Durchaus denkbar, daß nicht wenige Leser dieses Blattes zu den Abnehmern dieser Waren gehören. Denn irgendwie ist das Früher-war-alles-besser in das Denken kapitalismuskritisch oder alternativ gesonnener Menschen eingeschleust worden. Begehrt werden Altbauwohnungen, alte Möbel, alte technische Geräte – von allen Gebrauchsgegenständen die ältesten verfügbaren Ausfertigungen. Das geht so weit, daß eine junge Frau neulich in einer Umfrage zum Thema Electronic Cash erklärte, sie lehne Kreditkarten total ab, denn Geldscheine und Münzen seien „total sinnlich“. Karikierten solche Sinnesfreuden nicht mal den denkbar übelsten Schweinekapitalisten?

Auch die Verweigerung gegenüber digitalen Tonträgern bei vielen Freunden alternativer Musik stammt aus dieser Haltung. Dabei wäre ein bewußtes Festhalten an der Vinylplatte auch eine gute Strategie, die Plattenindustrie zu ärgern und zu verwirren. Oder besser noch: eine andere, neue, schönere Plattenindustrie aufzubauen, in der jeder sofort erschossen wird, der das Wort „Marketing“ ausspricht.

Aber dazu wird es wohl nicht kommen, denn bisher landete noch jeder, der einst mit hohen Idealen in seiner Studentenbude ein Label startete, um gute Musik verfügbar zu machen und noch bessere zu produzieren, in finanzieller Abhängigkeit eines oder mehrerer der großen Tonträgermultis, um fortan seine Bands aufzufordern, „radiotaugliche“ Singles aufzunehmen. Vinylplatten sind dazu verdammt, in späten Ausgaben jenes Warenhauskatalogs aufzutauchen: „...handgepreßt auf 180-Gramm-Vinyl, verpackt in doppelt verstärktem Karton, darauf Musik, eingespielt auf echten Instrumenten, deren Holzanteil mindestens 80% beträgt. Ein Schmuckstück für jede Sammlung...“

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