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Brabbelnde Klischee-Maschinen

■ Der Hamburger Stephan von Hueme fragt in der Galerie Kammer, was schief läuft in der Kunst

Manchmal hält man es nicht aus und wird richtig böse: 1982 fühlte sich ein verwirrter Medizinstudent von Barnett Newmans bildgewordener Frage „Who is afraid of red, Yellow and Blue“(„Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau“) direkt angesprochen und schlug mit einer Stange dreimal in der Berliner Nationalgalerie auf die großformatige Farbfeldmalerei des US-amrikanischen Künstlers ein. Der Hamburger Stephan von Huene erinnert in einer neuen Installation an diese bilderstürmerische Tat. Auch ihm, dem documenta- und Biennale-erprobten Künstler, scheint so einiges falsch zu laufen mit der Kunst. Obgleich selbst mit der Klangskulpturenarbeit „Text Tones“im neuen Kunsthallenanbau vertreten, nimmt der 1932 in Los Angeles geborene von Huene in der Galerie Kammer jetzt den Kunstbetrieb auf's Korn. Der Künstler, der seit 1967 audio-kinetische Objekte baut, läßt in seiner Installation vor drei Bildtafeln in den Farben rot, gelb und blau drei in den selben Farben gehaltene Maschinen mit Nachdruck fragen: „What's wrong with art?“

Werden in der Galerie der Gegenwart bei den „Text Tones“von 1982 noch Geräusche und Worte der Besucher sanft in Töne übersetzt, reden bei „What's wrong with art? (Version 1)“die Maschinen selbst. Sie spiegeln den zunehmend beliebigeren Kunstdiskurs ab, konfrontieren Kritiker mit den oft sorglos verwendeten Wörtern und füttern die aufgeschnappten Wortklischees in das Kunst-System zurück. Dazu werden, erstmalig bei einer Installation von Stephan von Huene, Dias gezeigt. Mit privaten und öffentlichen Porträts werden berühmte Kulturvermittler und Kulturverwalter stellvertretend herbeizitiert, damit der kunstinterne Charakter der Kritik deutlich wird: von Ästhetikprofessor Bazon Brock bis Kulturforscher Aby Warburg, vom Ersten Bürgermeister Henning Voscherau zur Kultursenatorin Christina Weiss, von Deichtorhallenchef Zdenik Felix zu Mediengalerist Thomas Wegner und Guggenheimdirektor Thomas Krens aus New York zum allseits bekannten Uwe M. Schneede.

„Man kann Worte nicht löschen, nur zurückgeben“, sagt Stephan von Huene. Und so tuten und blasen die hölzernen Lautsprecherkästen computergesteuert Begriffe wie „Kontextualität“, „Dekonstruktion“, „Identität“, „Media-Park“oder „Gender Identity“in den Raum, rhythmisch skandiert von Orgeltönen. Ob die Maschinen nun rülpsend ihre Verdauungsstörungen angesichts menschlichen Wortgetöns ausdrücken oder das Gebrabbel endlich zum einschmeichelnden Hintergrundgeräusch wird, hängt von Verhalten und Einschätzung der BesucherInnen ab: Die Apparaturen reagieren auf die Intensität von deren Aktivitäten im Raum. Die Tonquellen werden dabei im Rahmen von Taktvorgaben synchronisiert, damit das Kauderwelsch melodisch bleibt und nicht allzu hoffnungslos wird. Und schließlich bleibt es den Rezipienten überlassen, das Maß der Ernsthaftigkeit zwischen provozierender Entlarvung, amüsierender Distanz und moderner Poesie selbst zu entscheiden. Hajo Schiff

Galerie Renate Kammer, Münzplatz 11, Di u. Fr 12-18, Mi u. Do 12-19, Sa 11-14 Uhr, bis 22. März

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