■ Ein Blick auf Volker Rühes Heimseite im Internet: Alles bunt beim Bund
Von den 27.000 Wehrpflichtigen, die in diesen Tagen den Grundwehrdienst antreten müssen, sind zehn Prozent auf eigenen Wunsch für die „Krisenreaktionskräfte“ eingeplant. Und unter den Einberufenen sind rund 3.900 Arbeitslose, die unbedingt zum Bund wollten. Das stärkt die Kampfmoral und hebt die Stimmung in der Truppe. Oder etwa nicht? Früher, als junge Leute anderswo viel bessere Perspektiven hatten, wurde ein freiwilliger Zeitsoldat von dienstschiebenden Kameraden liebevoll „Z-Sau“ genannt.
Heute ist das anders, und seit die Bundeswehr auch im Internet vertreten ist, träumt so manches junge Soldatenherz davon, mitten im Kampfgetümmel und fernab von zu Hause vom „Laptop der Ehre“ wichtige E-Mail an die Heimatfront zu senden: „Liebe Mutti! Willst Du Deinen Sohn noch retten, so schick ihm Geld und Zigaretten.“ Aber das funktioniert leider nicht. „Die Mailbox der Bundeswehr ist geschlossen!“ liest der junge Rekrut unter dem Stichpunkt „Datentankstelle“.
Da sind die Amis schon um Lichtjahre weiter, bereits im Golfkrieg wurde eifrig Mail an die lieben Daheimgebliebenen verschickt. Und die Amis machen noch ganz andere Sachen: Informationen über feindliche Truppenbewegungen werden über ein geheimes Internet direkt auf den Laptop des Soldaten gespielt, und wenn er sich verirrt hat, kann er ihn auch zur Standortbestimmung benutzen. Dazu muß er nur einen Satelliten anpeilen, der ihm ein Signal schickt. Auf dem Laptop-Schirm erscheint dann unten rechts ein Kreuzchen, daneben steht: „You are here!“
Und was macht der deutsche Nato-Partner im Internet? Auf der Homepage unter http://www.bun deswehr.de gibt es salbungsvolle Worte des Verteidigungsministers zum SFOR-Einsatz und jede Menge bunte Werbung. „Information für die Truppe“ wird geboten, und wer ganz schnell hin will, findet die Adresse des nächsten Wehrdienstberaters. Ziemlich öde das Ganze, wenigstens ein nettes Ballerspiel hätten sie den jungen Leuten spendieren können, damit sie schon mal üben. Aber die Volltext-Suchmaschine funktioniert, wenngleich es beim Bund keinen „Käsekuchen“ zu geben scheint. Dafür taucht der Begriff „Krieg“ gleich 37mal auf, aber „Friede“ nur fünfmal. Achtmal „Kampf“, und auch das „Vaterland“ ist fünfmal dabei.
Auf der Seite „BW aktuell“ ist das Bild einer jungen Dame zu sehen (s. Foto), die ein High-Tech- Gewehr im Anschlag hält: „Obergefreiter Kathi Schwaab (SpFGrp Oberhof) am Schießstand.“ So ist das mit den Frauen beim Bund. Wenigstens eine ObergefreitIn hätten sie ihr zugestehen können. Da wünschen wir der 24jährigen, daß sie bald Hauptmann wird. Dann gibt's auch mehr Geld, auf der Homepage kann sie sich das gleich ausrechnen lassen. Als „Hauptmann/Kapitänleutnant auf herausgehob. Dienstpo“ (hier ist das Datenfeld abgeschnitten, ehrlich!) gibt's rund 3.000 Mark Grundgehalt, ohne die Zulagen. Aber aufgepaßt: Im Osten werden nur 84 Prozent gezahlt, da lohnt sich das schon nicht mehr.
Zuckmayers Wilhelm Vogt, der „Hauptmann von Köpenick“, würde als Schuster heute mehr verdienen – gäbe es da nicht das klitzekleine Problemchen mit den paar Arbeitslosen. Dieter Grönling
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