Mögliche Orte: Der Sommersee
■ Und die ganz offenbar unvermeidlichen Haken an der Geschichte
Kaum ist mal was schön, kommt natürlich gleich wieder ein Haken. Blaualgen. Dabei ist das Wasser nicht blau, sondern grün, flaschengrün, und je tiefer man taucht, um so dunkelgrüner wird es und auch ein bißchen unheimlich. Beim Auftauchen ist es genau umgekehrt. Knappe Luft, nach oben hin wird es immer heller, die Sonne scheint so stark durch das Wasser, daß es blendet, flirrendes Weißgrün, und dann guckt der Kopf endlich wieder raus. Keine Blaualge, soweit das Auge sieht.
Auch schade, daß diese Art schlecht für den Menschen ist, warum soll sie nicht auch mal einen schönen Sommer haben und sich nach Herzenslust vervielfältigen und ausbreiten. Tun wir schließlich auch, besonders in diesen Zeiten, da wieder Raum vorhanden ist und man mit Leichtigkeit den als besonders verseucht geltenden Gewässern im herrlichen Süden unserer Stadt ausweichen kann – indem man einfach mal schaut, wie es denn jenseits der nördlichen Stadtgrenze aussieht. Soll es da nicht noch toller sein? Wälder, Wildschweine, malerisch gelegene, einsam und verlassen daliegende Seen?
Gleich hinter Berlin muß man rechts ab, und nach gar nicht langer Zeit kommt ein kleines Schild, auf dem „Zum Gorinsee“ steht. Diesem freundlichen Hinweis folgt man und ist auch schon da. Kann sein Fahrzeug fast direkt neben dem Handtuch parken, was einen nie versiegenden Quell der Begeisterung für eine Freundin darstellt, „findest du das nicht auch wunderbar, man hat praktisch keinen Fußweg“. Dies gilt jedoch nur für den Hauptstrand, es gibt auch einige unzugänglichere Badestellen, zu denen man sich durch etliches Unterholz durchschlagen muß, aber das ist eigentlich unhöflich und grobe Einmischung in fremde Angelegenheiten.
Der reguläre Sandstrand zieht sich lang hin und ist bei dem schönen Wetter in der letzten Zeit ab nachmittags stets brechend voll. Gegen halb neun schaut man dem Sonnenuntergang zu, und es sind immer noch überall Leute, keiner will nach Hause gehen, eher kommen noch abendliche Schwimmer und Liebespärchen, die sich stundenlang wie dicke Kröten aufeinander legen, was sehr unbeschwert und gemütlich aussieht. Oder auch ältere Ehepaare, die seit Jahrzehnten ihre Decke an ihrem Fleck ausbreiten, ab und an unmotiviert fluchen, aber dennoch einen ganz zufriedenen Eindruck machen und beim Weggehen „Guten Abend“ sagen.
Das Wasser ist lange flach, prima für Kinder oder Papas mit glücklichen kleinen Mädchen auf dem Arm. Aber auf einmal wird es dann tief. Um den Seewassereffekt, oben warm und unten kalt, zu kriegen, muß man ziemlich weit rausschwimmen, denn das Wasser ist insgesamt pißwarm.
Trotzdem hat es keine blaue Farbe und riecht vorbildhaft modrig muffig. Im Nichtschwimmerbereich möchte man gleichwohl doch lieber nicht, daß Wasser in den Mund kommt, wer weiß, wieviel Kinder da reingepullert haben. Obwohl das die beiden Töchter oben erwähnter Freundin, wie sie meint, gar nicht können – sie gehen immer an Land zum Pieseln. Aber sie gehören auch zu dem heranwachsenden Mittelstand, auf den wir unsere letzten Hoffnungen setzen müssen.
Wenn der abflauende Wind es erlaubt, wird gegen Abend gerne Federball gespielt. Anschließend muß man wegen unmäßigen Schwitzens unbedingt noch mal ins Wasser und sieht später beim Trocknen und Ausruhen hübschen jungen Männern mit Basecaps beim außerordentlich gekonnten Federballspielen zu. Die müssen dann natürlich auch ins Wasser, und weil schon fortgeschrittene Dämmerung ist, gehen sie ohne Badehose. Aber es gibt am Gorinsee nicht die vielgepriesene befreite östliche Körperkultur, obwohl die meisten Badegäste Ostler sind. Kinder, klar – aber auch nicht alle. Und manche Frauen und Mädchen sind obenrum frei, aber nicht aufdringlich, mehr en passant. Die Strandatmosphäre ist überhaupt sehr entspannt, da ist nicht dieses hysterische Dauergekreische wie in den innerstädtischen Freibädern und keinerlei Geglotze. Hier möchte man in der verglühenden Abendsonne mit Freunden im warmen Sand liegen und schöne Sachen machen.
Bleiben dann noch die unvermeidlichen Haken: Der Strand und die angrenzende Kiefernlichtung sind wahnsinnig verdreckt und es gibt keinen einzigen Papierkorb, nur Müllhaufen. Außerdem braucht man von Berlin aus ein Auto, um den Gorinsee zu erreichen. Aber dann kann man wunderbar praktisch nah heranfahren. Katrin Schings
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