piwik no script img

Der Puschel als Raubtier im Mannsbild

■ In „Männer“montiert Franz Wittenbrink ziemlich flott die gängigen Versuche männlicher Selbstdarstellungen

Wenn acht gepflegte Herren das Tier in sich suchen, kann das zu einer abendfüllenden Angelegenheit werden. Wie erwartet finden sie statt des erhofften Tigers aber bloß einen niedlichen Puschel. Denn Männer, der neue und fünfte Liederabend von Franz Wittenbrink, siedelt die eine Hälfte der Weltbevölkerung im Reservat der Haselmäuse an.

Bei der Premiere am Sonnabend im Schauspielhaus tat Wittenbrink dies so deutlich kund, daß wirklich jede der anwesenden Damen beruhigt nach Hause gehen und denken konnte: „So schlimm sind die gar nicht. Haben wir uns doch gedacht.“Die Herrschaften hingegen fühlten sich vermutlich entlastet, und insofern war die betuchte Welt mal wieder in Ordnung. Daß die Männer ja eigentlich die Welt beherrschen, tat einen Abend lang mal nichts zur Sache. Wovon sie wohl nachts träumen?

Wittenbrink hat sich in seinen Liederabenden dem Allgemeinen verschrieben. Nach dem Fremden, dem Mond, dem Jenseits und den Frauen waren es nun also die Männer. Das internationale Liedgut ist da natürlich eine satte Fundgrube. Von Joe Cocker bis Herbert Grönemeyer, von Heinz Rühmann bis James Brown montierte Wittenbrink die besten Versuche männlicher Selbstdarstellung zusammen, ließ jeden Song kurz auf dem Klavier anklingen und von einem Solisten oder dem Ensemble im Chor parodieren.

Das Ergebnis ist ordentlich flott zu nennen – bei aller Mißgunst über den ideologischen Tenor der Show. Auch das Kalkül, in den meisten Schauspielern steckten verhinderte Sänger, war aufgegangen. Sogar beim Ansingen von Opernarien fühlten sich die meisten der Mimen sichtlich wohl und wurden vom Publikum verdientermaßen mit Jubel belohnt.

Weil es sich bei diesem Abend aber doch um singende Schauspieler auf einer großen Bühne handelte, konnte Wittenbrink tief in die Zeichenkiste greifen. Er verteilte die Schauspieler auf einer HSV-Tribüne und ließ sie – strategisch immer sauber zwischen Würstchenautomat, Bierzapfstelle und Pissoir positioniert – verschiedenste männliche Charakterrollen darstellen. Ein Rentner war dabei, ein kleiner Bürohengst, ein Lässiger im bunten Hemd und was dergleichen parodiewürdige Klischees mehr sind.

Sie durften auch mal eine Extratour fahren oder kleine Hahnenkämpfe austragen, doch die Solidarität mußte immer siegen. Vor allem gegen die Frauen, um deren magisches Dreieck – bei Wittenbrink bestehend aus Mutti, Zicke und „Wonneproppen“– es sowieso hauptsächlich ging. Jetzt wissen wir es also ganz genau. Danke, wäre nicht nötig gewesen.

Barbora Paluskova

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen