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Werthebach wird Innensenator

■ Ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz tritt die Nachfolge von Jörg Schönbohm an. Werthebach - der Mann mit der dunklen Sonnenbrille - gilt als Technokrat

„Jede akzeptable Persönlichkeit, die auf dem Boden des Grundgesetzes steht, werden wir mittragen“, versichert die Berliner SPD. Eine Hürde, die er wohl meistern sollte: Eckart Werthebach, bislang Staatssekretär im Bundesinnenministerium und ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Er soll nun Nachfolger des scheidenden Berliner Innensenators Jörg Schönbohm (CDU) im Kabinett der Berliner Großen Koalition werden.

Nach knapp zweiwöchigem Ringen gab Amtsinhaber Schönbohm (CDU) gestern bekannt, daß er sich im Januar 1999 um den Landesvorsitz der Brandenburger Union bewerben wolle und dort im kommenden Jahr auch als Spitzenkandidat antrete. Da Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) seinem Innensenator längst klargemacht hatte: entweder Senator in Berlin oder Landeschef in Brandenburg, macht Schönbohm nun unwillig seinen Sessel für den parteilosen, der Union nahestehenden Werthebach frei.

Seine Kariere machte der Mann mit der dunklen Sonnenbrille in den unterschiedlichsten Behörden. Anfänglich war der 1940 in Essen geborene Jurist für einige Monate Berater der Bezirksregierung in Unterfranken und wechselte dann 1971 sehr schnell in das Bonner Innenministerium. Dort arbeitete er fast ausschließlich im Bereich Innere Sicherheit. Er war für die Dienstrechts-, Verfassungsrechts- und in der Zentralabteilung tätig. Drei Jahre später übernahm er die Fachaufsicht über das Bundeskriminalamt und dann die Aufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln.

Unter anderem war Werthebach auch Mitglied im Krisenstab nach der Entführung und Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer 1977. Diese Erfahrung habe ihn einschneidend geprägt, so Werthebach später.

In der Funktion als ständiger Vertreter des Leiters der Abteilung Innere Sicherheit sandte ihn die Bundesregierung später auch als Berater in die Regierungskomission zur Auflösung der Stasi. 1991 übernahm Werthebach die Führung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dem er bis 1995 vorstand. 1995 wurde er dann schließlich Staatssekretär im Bundesinnenministerium.

Werthebach gilt unter seinen Kritikern als „Hardliner und als technokratischer Spezialist“. Für Otto Diederichs, Berliner Verfassungsschutz- und Polizeiexperte, ist Werthebach ein „typischer Geheimdienstler“. Werthebach werde „nichts dazu unternehmen, daß beim Berliner Verfassungsschutz die dringend notwendigen Reformen eingeleitet werden“. Diederichs geht davon aus, daß Werthebach auch in anderen relevanten Bereichen, zum Beispiel bei der Reform der Berliner Verwaltung, „nichts bewegen wird“. Diederichs: „Das interessiert ihn nicht.“ Barbara Junge, Julia Naumann

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