■ H.G. Hollein: Haute Cuisine
Die Frau, mit der ich lebe, legt gerne Hand an. Vorzugsweise letzte und vor allem beim Kochen. Geht es etwa um die Zubereitung von Spiegeleiern, hält sich die Gefährtin zunächst diskret im Hintergrund. Sprich, sie sieht fern, liest oder raucht – am liebsten alles gleichzeitig. Habe ich es sodann vermocht, eine Öl-Buttermischung in der Pfanne zu erhitzen, schwebt die Meisterin in die Küche, klopft vier Eier ins Bratgefäß, sagt: „Ruf mich, wenn die Ränder braun werden“ und tritt mit einer gekonnten Drehung wieder ab. Pellkartoffeln indes darf ich weitgehend allein kochen. Bevor sie allerdings aus dem Topf auf den Tisch wandern dürfen, ist es für ihre kulinarische Vollendung unabdingbar, dass die Gefährtin den abgegossenen Topf mit tief konzentrierter Miene auf die Kochplatte setzt und dreimal wieder anhebt. „Ausdampfen“ nennt sich dieser mystische Vorgang, der sich meiner Erfahrung nach auch ganz von selbst ereignen würde, da die Gefährtin vor Tisch stets „noch schnell mal“ ins Bad entschwindet. Die Gefährtin spart sich eben für die entscheidenden Eingriffe auf. Ein Hirnchirurg schnippelt ja auch nicht mehr an jedem Blinddarm rum. Mit der ihr eigenen feinen Sensorik weiß die Gefährtin allerdings, wann sie den Domestiken, der da am Herd stumpfsinnig vor sich hin rührt, schüttelt und wendet, an seine Pflichten erinnern muss. Kaum ist die kritische Bratphase erreicht, flötet es aus dem Wohnzimmer: „Meinst du nicht, ein kleiner Aperitif wäre jetzt angebracht, Chéri?“ Wer bin ich, da zu widersprechen? Oder gar, wenn Madame auf dem Weg zu Tisch noch mal kurz kritisch prüfend über der Pfanne Witterung nimmt, mit der Gabel sanft ins Bratgut sticht und befindet: „Ein Sekündchen länger noch“. Ti-ming ist beim Kochen eben alles.
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