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Langhaarige Schlaflieder

Die Reiter der Apokalypse haben sich Instrumente umgeschnallt: Das Sissi-Konzert mit den Drone-Rockern von „Sunn O)))“ und „Thrones“ in der Friesenstraße verspricht tendenziell nichts. Verpackt haben sie es in Klangnebel

Was immer das englische Wort „doom“ bedeutet, es ist nicht wirklich etwas Erfreuliches. Nichts das etwa zu einem der ersten sonnigen Nachmittage des bremischen Kalenders passen würde.

Schwer, ach!, drückt der Welten Last auf den Schultern! Jede Menge Verfall und Siechtum, und auch die religiöse Gerichtsbarkeit dürfte in den seltensten Fällen einen Freispruch erkennen. Die Reitenden der Apokalypse haben sich Instrumente um den Hals gegurtet. Auf‘s Pferdegetrappel in Form von Zimbeln und Doppelfußtrommel indes verzichten sie. Übrig bleibt bei „Sunn O)))“ ein durchaus delikates Wabern.

Das mag weniger spektakulär klingen, als es tatsächlich ist. Denn Wabern ist nur ein Wort. Und die Musik des Duos aus amplifizierter Gitarre und elektrischem Bass braucht sich zu entfalten vor allem Zeit.

Es ist durchaus möglich, dass der Begriff des „Doom-Metal“ sich in erster Linie im Bezug auf die Kategorie Zeit gebildet hat. Nicht als akademische Größe, sondern als musikalische. Will sagen: Irgendwann ist es einigen Herren –vor allem an der amerikanischen Westküste, aber auch im musikalisch gesehen nicht eben fernen Tokio – zu langweilig geworden, den Weg des Schneller-Lauter-Härter weiterzugehen. Was „Sunn O)))“ machen, oder mit „Thrones“ auch der zweite amerikanische Gast am Donnerstag, entspricht jenem musikalischen Schaffen, das im Metal der 80er das Songformat desavouierte. „Napalm Death“ etwa präsentierten zwar noch Songs. Nur waren diese auf durchschnittlich 17 bis 25 Sekunden eingedampft.

Diesen Prozess transformieren Bands wie „Sunn O)))“ ein weiteres Mal. Aggregathaftes wird kaugummiartig in die Länge gezogen. Die Struktur des Songs hat sich in dieser Entwicklung verflüchtigt. Nicht zuletzt liegt der Reiz darin, dass diese Musik sehr unmittelbar funktioniert. Wenn einem eine Klangwand von der Bühne entgegennebelt, wenn da oben minutenlang tendenziell nichts passiert, was sonst ein Rockkonzert ausmachen würde, ist das einfach ein großer Spaß.

Tim Schomacker

Sunn O))), Thrones und Shepherd, Donnerstag, 20. März, Freizeitheim Friesenstraße ab 21 Uhr

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