piwik no script img

22.00

Intro 1

(gesprochen:) Achtung Achtung! Hier spricht die Hiphop-Polizei! Sie halten sich in verbotenem Gebiet auf und besitzen dafür keine Genehmigung. Verlassen Sie das Gelände unverzüglich auf dem Holzweg, wo Sie hingehören, Richtung Westen! Dies ist die erste Aufforderung!

Verlassen Sie jetzt das Gelände unverzüglich auf dem Holzweg nach Westen! Dies war die zweite Aufforderung.

Ich wiederhole: Gehen Sie jetzt sofort auf dem Holzweg Richtung Westen! Dies war die dritte Aufforderung.

Texter, die nicht an fantastischen Geschichten weben erzählen nur aus ihrem Leben

das ist mir zu beliebig versöhnlich

das hier sind Geschichten von Fremden

aber auf einer Irrfahrt befinden

wir uns doch fast alle jedenfalls für gewöhnlich

und ob sich das wirklich ausdrücken lässt mit Hiphop

ist nicht nur allein mein Job

nehmts bitte durchaus persönlich.

hier sind meine Reime und wo sind eure Beats?

hier sind meine Reime und wo sind eure Beats?

hier sind meine Reime und wo sind eure Beats?

Intro 2: Aus der Geschichte der Medizin. Heute: Einführung der Geburtshilfe

Vermehrung ist erste Bürgerpflicht

Fruchtbarkeitszwang in Staatsaufsicht

wer ihr nicht nachkommt? kein Lobgedicht

an den eigenen Nachwuchs richtet? keine Vaterpflicht

will, ist schlicht nicht ganz dicht?

die neue Sozialversicherungspflicht

gegen die Verarmung der Rentnerschicht

es krümmt vor Neid die Gelenke die Gicht

und die Alten schwärmen vom Kindergesicht

der Staat ist der Bauch der Mittelschicht

jedermann gegenüber Entschädigungspflicht!

bestraft muss werden wer übt Verzicht!

nicht nur den Namen veröffentlicht!

höhere Steuern auf lange Sicht!

zur Senkung der Rente Spitzelbericht!

jede Party zum Volksgericht!

so fordern die Mütter mit Übergewicht:

keine Kopulation ohne Population!

I „Ararat“

Ihr nennt ihn Wandersmann weil er weit laufen kann

er läuft herum den ganzen Tag und sucht nach Geld für seine Fahrt

macht Schulden überall doch keinen Überfall

denn er ist ein guter Typ und die Mafia hat ihn lieb

weil er bezahlen muss den Bus zum Bosporus

und dann am Kai das alte Schiff und diese Angst vor jedem Riff

weil er nicht schwimmen kann denn er war Ackermann

nein nicht der Deutschbankier der schwimmt im Geld und kennt die ganze Welt

er hat ein Feld bestellt und doch die Flucht gewählt

weil dieser Hunger ging nicht weg war wie ein ungedeckter Scheck

auf einen warmen Bauch und ihm war kalt und auch

die Ehefrau in großer Not die Tochter lebt der Jung war tot

jetzt wollt er Geld verdien’ für sie nach Westen zieh’n

allein bei minus zwanzig Grad im tiefen Schnee den Berg herab

und dann im Autobus bis an den Bosporus

und wie der Berg von dem er kam so trug der Kahn auch seinen Nam’

es war die „Ararat“ auf ihrer letzten Fahrt

achthundertfünfundzwanzig Leut und eine Braut in Wehen schreit

drei Tage schon am Stück doch es gibt kein Zurück

und nur ein kleines bisschen Trost dass ja die See nicht ewig tost

und nach zwölf Tagen dann kommen die Fragen wann

die aus Not verkauften Seel’n denn nicht mehr brauchen sich zu quäl’n

doch schon ist Land in Sicht, der Sonnenbrand er sticht

und Käptn Öger ist von Bord oder wars Ömer, der diesen Ort

als unser Ziel beschrieb wohin das Schiff jetzt trieb

und die Soldaten warteten schon auf Telefonbefehle aus Rom

doch war’n sie freundlich hier, nicht wie in Diyarbakir

wo sie dem Onkel die Knochen zerschlugen und ihn für Wochen im Loch begruben

nachts sank das Schiff auf Grund doch schon zur zehnten Stund

sind die Passagiere sicher von Bord einschließlich der Tiere, sie trauten dem Wort

dass sie willkommen sind wo hier seit Jahr’n kein Kind

mehr seine Erzeuger vorm Einschlafen küsst die ganze Küste verödet ist

doch als im Lager dann gleich das Verhör begann

da hüllte er sich lieber in Schweigen und füllte nur Kreuze aus um ihn’ zu zeigen

dass er nicht schreiben kann, nur Schafe treiben, Mann,

aber hinter welchen Grenzen seine Felder liegen offenbart er in Gänze nicht um zu besiegen

die Angst dass sie ihn sonst beim Lügen kriegen und ihn zurück auf den Ararat fliegen.

Doch so erfolgreich er bisher die gleiche Mär

die halbe Nacht durch den Beamten erzählte denen fiel plötzlich auf das da etwas fehlte

an Klarheit wo genau das Militär das ihn quälte auf die Wirksamkeit seiner Methoden zählte

ob ein Panzer aus Ankara sein Dorf erwählte oder Giftgas aus Bagdad seine Familie entseelte

und als er seine Bedrängnis nicht mehr verhehlte und das Verhängnis ihm Schauer der Kälte

durch seinen Körper jagte als ob es gälte mit Zittern zu verhindern dass der Staatsangestellte

allein wegen des Lügenverdachts gleich ein Abschiebungsurteil fällte und sich keine Mühemehr machte die seine Zukunft aufhellte

und unverzüglich die Weichen für die Ausweisung stellte wodurch seine große Hoffnung auf

Arbeit zerschellte –

deswegen gab’n sie ihm noch ein’ Verhörtermin

am nächsten Morgen gleich um acht. Aber dann noch in derselben Nacht

verschwand er übern Zaun und war nun abgehaun

und schlich die Wiesen den Fluss entlang die ihm erwies ein harter Mann

der in der Gegend wohnt und Mut mit Sieg belohnt

ohne ihm ein Risiko abzunehmen, denn die Götter wollen nicht gähnen

doch früh im Dämmerlicht erhielt er den Sperber nicht

denn er schreckte eine Rinderherde auf und ihre Geräusche brachten seine Häscher drauf

sich gründlich umzuschau’n nach Spuren in den Au’n

und so kamen sie mit ihren Hunden und es dauerte keine zwei Stunden

bis sie am Ufer des Flusses ihn stellten und ihre Befehle durch den Morgen gellten

und die Hunde wie von Sinnen bellten und an dem armen Mann hochschnellten

der sich ins Wasser warf, gefolgt von den Hunden, denn sie waren scharf und hatten ihn gefunden.

Dann zog die Strömung ihn ins tiefe Wasser hin

seine letzte Erektion war vergeblich sein Kampf gegen das Ertrinken unerheblich

und seine Leiche schwamm

ins Meer

woher

er

kam.

VI Volkan

]...[ Mit dem Text für ein oder zwei Takte aussetzen

„Was macht denn dieser stinkende Pott hier auf der Elbe

       weiß grün rote Flagge wo kommt denn der überhaupt her? Den Schiffsnamen kann man auch nicht lesen jedes Mal dasselbe

       BAPHA liegt das überhaupt an irgendeinem Meer?“

]...[

„So wie mans hört und riecht transportieren sie Rinder

       vielleicht aus BAPHA und wer weiß für wen irgendwohin.“

]...[

„So verstört wie die Viecher äh kommunizieren, sind sie minder

       wertige Ware, die gehen mit Gewinn nach England, weil sie angeblich seuchenfrei sind

       und kommen dort viel fetter an als sie in BAPHA an Bord. Luftnummern! die füttern sie unterwegs mit gesundem Salzwind.

       Früher ketteten sie sie dazu an den Masten fest! – Mit einem Wort?“ „Mastochsen! Und Zuchtbullen! Aus Bulgarien!

       O.k. Warum die hier sind, weiß jedes Kind in Hamburg passieren beim Testen keine Havarien

       denn sie müssten Ochsenzoll zahlen wenn die Tiere wahnsinnig sind.“

]...[

„Dann hieße es ,Mort aux vaches!‘ und das müsste ins Bulletin!

       und dann würde die scheißteure Maschine Bulle-deux-Erres bestellt und der Profit wäre im Arsch! Und der Coup mit dem Ragout fin

       gescheitert, welche Blamage vor der ganzen Unterwelt.“

]...[

„Am Mast weht noch ne zweite Flagge unter der weiß grün roten

       auf ihr steht auch noch ein Wort in fetter Letter die zweite Flagge zeigt den Kopf und zwei Knochen von nem Toten

       nicht schwarz sondern braun und das Wort heißt Retter. Ist BAPHA vielleicht auch abgestiegen? nein? in Liverpool spielen sie?

       im Uefa-Cup? ach, alles Fans an Bord die könnens kaum erwarten? aber in der Hinrunde null zu neun verloren? so schlecht gespielt wie noch nie?

       Die Mannschaft ahnt nicht: sie hat schlecht gefälschte Karten.“

]...[

„Zur Navigation hat das Schiff also jede Menge Bullaugen

       eintausendsechshundertfünfzig sehen mehr als zwei wenn die Viecher schon nur mit Handgeld zum Export taugen

       ersparen sie den Bulgaren wenigstens teure Geräte zur Funkpeilerei.“

]...[

„Aber das geht schon in Ordnung in Ochsenzoll unterm Tresen

       Geld gegen Papiere: weder Bulimie noch Rinderpest Hamburg und Bullerbü liegen nicht in Preußen

       und Sachsenkoburgsko macht kein’ Murksko, das steht fest.“

]...[

„Komisch nur, dass sichtlich einige Kühe

       an Deck tatsächlich hochträchtig sind in dieser Bullenhitze kostet eine Geburt doch enorme Mühe

       nicht mal die Gletscher kalben in diesem Glutwind.“ „Kostet? enorme Mühe?

       die Briten zahlen wenn man von Carpaccio erzählt man darf nur nicht Staggering Bob sagen

       sonst geben sie höchstens Färsengeld. Selbst die Sechsmonater sind noch für BAPHA-Buletten zu verwerten

       auch an Land sterben die meisten auf kurze Sicht das Essen für die Matrosen, die Rindergefährten

       sonst ein Faul- oder Fischgericht, ist es für einmal nicht.“

]...[

„Einmal? ist keinmal! und zwar immer! So dachte

       Ibrahim K., fünfundzwanzig Jahre alt, jeden Tag und ließ Zeus seinen Kampfhund den er richtig scharf machte

       frei herumlaufen. Ibrahim erinnert sich nur vag an die Briefe wegen dem Maulkorb die die Bullen ihm schickten

       diese Quälerei wollte er seinem Hund erspar’n außerdem hatten dann die anderen nichts mehr wovor sie erschreckten

       und das sollte ihm auf keinen Fall widerfahrn.“

]...[

„Beim Jupiter! Bos Bovum! welche Torheit! welches Novum!

       plötzlich war Zeus der stärkste Kampfhund der Stadt und Gipsy – klar, Zigeuner! – das war sein Kumpel, auch ein Streuner

       zusammen liefen sie durch Wilhelmsburg und durchs Schulterblatt. Den kleinen Volkan auf dem Schulhof der dort herumrannte

       den schützte auch die Schulhofsmauer nicht Zeus und Gipsy zerfleischten ihn, es war ein Reflex den auch Ibrahim kannte

       aber einmal ist keinmal – das zeigte er auch vor Gericht.“

]...[

„Verbirg ihn – aber es ist zwecklos! Gegen einen Kampfhund

       hat Mars Vortritt vor Venus. Da hilft kein Friedenskuss das Tierheim behält seinen dauerhaften Existenzgrund

       erst danach ist mit dem Krieg gegen die Killer Schluss. „Er will ja nur spielen!“ rufen unverdrossen Frauchen und Herrchen

       von Dobermann, Rottweiler und Staffordshire-Terrier verpisst euch! ach bliebe es doch nicht nur ein Märchen

       eure Freifahrt zum Abdecker im Pitbull-Carrier.“

Credits: Mastochsen – Odenwälder Shantychor

IX Diana

Dodi

wird Vati

ein Bubi

ein Gaudi

ein Rowdy der den ganzen Tag die Mutter tritt

das Kind zu woll’n nach all der Plag der größte Schritt

die Hochzeit nahm die Windsors noch mal richtig mit

hochschwanger wie Diana war und mächtig fit

sein Pappa hat das Fest bezahlt und wichtig ritt

er auf ’nem Schimmel durch die Stadt doch richtig quitt

war er noch nicht. Und Lady Di? Sie litt nicht mit.

Ihr Alptraum war vorbei weshalb ein Lächeln glitt

über ihr Gesicht als sie zur Kirche schritt.

Dodi fühlt sich fremd wie auch der Imam litt.

Das Rosenmeer war nicht bestellt. Es warn die Leut

die Blumen brachten noch und noch, aus schierer Freud.

Ein Punk hat ganze Tage lang sich nicht gescheut

zu schnorrn für ein Bouquet und hat sich eingereiht

die Schlange geht zehn Blocks doch niemand scheut die Zeit

das Warten ist o.k., es ist dem Glück geweiht.

Die Riesenhochzeitsparty ist als Dank gemeint

im dritten Monat hat das ganze Land geweint

Die Albert Hall als großer Ort, das „Roy‘l“ verhängt.

Achthundertfünfundzwanzig Karten, schnell verschenkt,

der Punk ist nicht dabei und wird jetzt abgedrängt

er geht zur Riesenleinwand wo ganz unbeschränkt

der dicke Bauch von Lady Di zu sehen ist

nicht lange bis der Wellenschmerz der Wehen fließt

der Punk er sitzt im Gras und hat sein’ Spaß wie gut

die Spießer sind voll Wut dass die Geschicht’ nicht ruht

zum Einstieg in die Rückkehr-Schut da braucht es Mut

sie tranken dort den feinen Sud aus Widderblut

rein in den Tunnel ging die wilde Hatz

offen soll er sein der grobe Sack mit Katz

die auch gerne spielt mit zuckend’ Maus und Spatz

sinniert der Punk auf seinem Rasenplatz.

Auch in Rottweil steigt ein Liebesfest

nur in Hannover herrscht die Rinderpest

Blick nach Südosten sie seh’n seidenschwarz

Dodi und Diana Königin des Harz.

Outro/Übergabe

Der Gärtner hat ne Stunde lang die Pflanzen begossen

neun Freunde waren die Zeugen dieser Tat

einer half und hat das Ergebnis genossen

eine Folge der Vorjahressaat.

Wer beugt sich denn heute noch den großen Worten

Sex, Kind, Gott, Natur, Tod und freier Willen?

Die Gießkanne muss man heute doch allerorten

bis zum letzten Tröpfchen selber füllen!

Zum Ausklang dieser Fruchtbarkeitsanimation

auf in die Kneipe bis zum Zapfenstreich!

Aber schließlich siegt doch Kopulation über Population

also geht’s ab ins Hurenreich!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen