piwik no script img

Die Mär vom schadstoffarmen Auto

■ Heidelberger Institut für Energie– und Umweltforschung legt Studie vor / Stickstoffemissionen haben 1986 gegenüber dem Vorjahr um 20 % zugenommen / Zahlen über schadstoffarme Autos „geschönt“

Von Manfred Kriener

Berlin (taz) - Der Dreck, den der bundesdeutsche Verkehr in die Luft bläst, nimmt - entgegen allen Beteuerungen der Bundesregierung - weiter zu. Schwarz auf weiß belegt dies jetzt eine Untersuchung des Heidelberger Instituts für Energie– und Umweltforschung, die erstmals versucht, eine konkrete Bilanz von Innenminister Zimmermanns Katalysatorpolitik aufzumachen. Wichtigstes Ergebnis der Heidelberger Forscher: Die Emmissionen an Stickoxid aus dem Gesamtverkehrsbereich haben heute gegenüber 1983 um 7,4 % zugenommen, gegenüber 1984 um 4,5 % und gegenüber dem Vorjahr um 2 %. Sticko xid gilt bewiesenermaßen als Waldkiller und ist neben Blei der relevanteste Schadstoff im Verkehrsbereich. Nach den Berechnungen der Heidelberger Wissenschaftler haben die sogenannten schadstoff– armen Personenkraftwagen zwar zu einer minimalen Reduzierung der Stickoxide geführt, (0,9 % wird jedoch abgefangen durch mehr gefahrene Kilometer, mehr und größere Autos und höhere Geschwindigkeiten). So liegt das Geschwindigkeitsniveau auf den Autobahnen heute laut IFEU um rund 3km/h höher als vor einem Jahr. Zudem wurden gegenüber dem Vorjahr 4,4 % mehr Pkws und 4,1 % mehr Lkws zugelassen. Dadurch steigt die Schadstoff menge weiter an. Ihren Höchststand hat sie nach Einschätzung des IFEU jedoch noch lange nicht erreicht. Eine Erholung für den siechenden Wald ist demnach nicht in Sicht. Grundlage für die IFEU–Untersuchung sind die statistischen Zahlen des Kraftfahrt–Bundesamtes. Danach sind derzeit in der BRD 3 Mio Pkws als schadstoffarm oder bedingt schadstoffarm anerkannt. Diese Zahl sei allerdings geschönt, kritisierte Dieter Teufel vom IFEU. Denn rund die Hälfte dieser drei Millionen Personenkraftwagen seien Alt–Autos, die ohne jede technische Veränderung oder Nachrüstung im Nachhinein als schadstoffarm anerkannt und steuerlich begünstigt wurden. Teufel: „Das hat den Steuerzahler 1,2 Milliarden DM gekostet, ohne daß ein Gramm an Schadstoffen weniger emittiert worden wäre. Tatsächlich gibt es derzeit in der BRD ganze 196.000 Autos mit geregeltem Dreiweg–Katalysator, also derjenigen Technik, die in Sachen Schadstoff–Reduzierung wirklich etwas bringt. Das sind 0,7 % aller zugelassenen 25,5 Mio Pkws. Der Rest der als schadstoffarm definierten Autos sind Kleinwagen und vor allem Diesel–Fahrzeuge. Fazit des IFEU: „Von der steuerlichen Regelung (der Bundesregierung) ist bislang keine positive Wirkung für die Luftschadstoffe erfolgt“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen