Sogar die weißen Rassisten fordern Sanktionen

Johannesburg (taz) - „Wir sind ausdrücklich dafür, daß totale, umfassende Sanktionen gegen dieses Land verhängt werden“, knurrte Pik Botha, der südafrikanische Außenminister, vor wenigen Wochen. „Aber wir werden das nicht einfach so hinnehmen. Es gibt immer Methoden, Sanktionen zu umgehen.“ Diese Haltung der trotzigen Herausforderung geht vielen Beobachtern zufolge auf eine Kabinettsentscheidung im vergangenen Mai zurück. Anscheinend hatten Präsident P. W. Botha und seine Mannen es satt, auf die irrtierende „Einmischung“ aus aller Welt einzugehen. Stattdessen würde das „gepeinigte Südafrika“ seinen Weg nun als „Märtyrer“ alleine gehen. Diese Entscheidung war vorrangig eine politische. Sie zielt darauf, weiße Südafrikaner angesichts der Attacken Flut aus aller Welt wieder um die Regierung zu scharen. Auf eine solche Taktik haben weiße Wähler schon in der Vergangenheit blendend reagiert, und auch jetzt scheint die Rechnung allem Anschein nach aufzugehen. Den Beweis wird die in we nigen Monaten erwartete allgemeine Wahl liefern. Was die wirtschaftlichen Konsequenzen der amtlichen Dickköpfigkeit betrifft, sind die Auswirkungen jedoch viel schwieriger einzuschätzen. Es ist unwahrscheinlich, daß das Land umfassende Sanktionen verkraften kann. Dennoch herrscht auch hier zumindest öffentlich der Optimismus vor. „Die Regierung weiß genau, was unsere Feinde planen,“ sagte Arbeitsminister Pietie du Plessis im August. „Deshalb läuft schon seit mehr als zehn Jahren ein Programm, das auf den Aufbau von Vorräten strategischer Güter abzielt.“ Dieses Programm ist in den letzten Monaten offensichtlich mit neuem Nachdruck durchgeführt worden. Südafrikas Aussenhandelsbilanz zeigt seit Anfang des Jahres einen 20prozentigen Anstieg der Importe. Milliarden werden ausgegeben, um stra tegische Güter zu horten. Der in den letzten Wochen rapide gestiegene Goldpreis und die Tatsache, daß das vor wenigen Monaten so akute Problem der Auslandsverschuldung jetzt leichter zu bewältigen ist, haben Pretoria die nötigen Devisen für die erhöhten Importe verschafft. Neben dieser eher defensiven Strategie betreiben südafrikanische Regierungs– und Geschäftsleute schon seit einiger Zeit eine agressive Suche nach neuen Märkten. So besuchte Pik Botha in der letzten Woche Japan, Hongkong und Taiwan. Vor allem in der chinesischen Republik wurde er wärmstens empfangen. Mit Taiwan hat der Handel seit Anfang des Jahres schon um 25 Prozent zugenommen, obwohl es sich insgesamt bisher nur um läppische 800 Millionen DM handelt. Dennoch wird erwartet, daß über Umwege im fernen Osten - auch Südkorea spielt dabei eine wichtige Rolle - südafrikanische Güter ihren (wenn auch teuren) Weg auf die Weltmärkte finden werden. Doch das Wenigste läuft dabei öffentlich. Immer mehr Produ zenten wenden sich an sogenannte „Exporthäuser“, die als Mittelsmänner zwischen Herstellern und Endabnehmern fungieren. Viele dieser Häuser haben schon zur Zeit der Sanktionen gegen Rhodesien ihre Tricks gelernt. Auch im sonst allgemein als verboten geltenden Handel zwischen Südafrika und dem Rest Afrikas sind sie gewieft. Diese Methoden, Sanktionen zu brechen, werden tatkräftig von der Regierung unterstützt. So gibt es im Ministerium für Handel und Industrie ein Sonderkomitee, das als Schlatstelle fungiert. Außerdem scheint sich auch von unerwarteter Seite Hilfe anzubieten. Im Stillen haben Ostblockländer schon bei britischen Firmen mit Südafrika–Verbindungen angeklopft. Sie wären vielleicht bereit, zum richtigen Preis insgeheim südafrikanische Kohle abzunehmen. Die Tatsache, daß das Herkunftsland der Kohle aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften genau bestimmt werden kann, kümmert diese Länder wohl nicht. Bulgarien und Rumänien haben angeblich schon einmal 100.000 Tonnen Kohle abgenommen. Tatsächlich würde der Kohlebergbau am empfindlichsten von einem EG–Importverbot getroffen. Immerhin gehen dem Wert nach 80 Prozent aller südafrikanischen Exportkohle nach Europa. Dafür einen neuen Markt zu finden ist schwierig. So bereisten denn auch Vertreter der Kohleindustrie in den letzten Wochen europäische Hauptstädte in dem Versuch, einen Importstopp abzuwehren. Doch solche Maßnahmen kommen offensichtlich zu spät. Ohne Zweifel bedeuten Sanktionen auch, daß die Arbeitslosigkeit in der schwarzen Bevölkerung zunehmen wird. Tatsächlich finden schon seit Monaten zahlreiche Entlassungen und Schließungen statt. Allerdings ist eine genaue statistische Erfassung der Arbeitslosigleit äußerst schwierig. Amtliche Zahlen sind immer viel zu niedrig und schließen außerdem die Homelands nicht ein. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie zeigt, daß die Arbeitslosigkeit schon jetzt bei etwa 50 Prozent liegt. Hans Brandt