: Eine arbeitslose Front gegen Apartheid
■ Südafrikas schwarze Gewerkschaften bereiten sich auf die durch Sanktionen verursachte Arbeitslosigkeit vor / Bildung einer Arbeitslosengewerkschaft geplant / Schon jetzt sind etwa 50 Prozent aller Schwarzen arbeitslos
Von Hans Brandt
Johannesburg (taz) - Sanktionen werden die Südafrika beherrschende Wirtschaftskrise verstärken; Arbeitskämpfe werden zunehmen. Beobachter erwarten, daß die Gewerkschaften mit mehr Entschlossenheit gegen Entlas sungen kämpfen werden. Andererseits räumen Kritiker ein, daß in den letzten zwei Jahren ohnehin schon zehntausende von Arbeitern entlassen wurden. Dabei haben die Gewerkschaften nicht mit allen Mitteln gegen jede Entlassung gekämpft, sondern in Verhandlungen lediglich versucht, den Umfang der Personalkürzungen zu minimieren. Immerhin ist Massenarbeitslosigkeit schon seit langem ein Strukturelement des Apartheid–Wirtschaftssystems. Das wurde erst letzte Woche wieder bestätigt, nachdem Forscher der Johannesburger Witwatersrand Universität eine Studie zur Arbeitslosigkeit veröffentlichten. Sie schätzen, daß landesweit zwischen vier und sechs Millionen Schwarze ohne Arbeit sind. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 50 Prozent. Die offizielle Statistik von 519.000 Arbeitslosen ist hoffnungslos untertrieben. „Diese riesige Menge der Arbeitslosen stellt eine konkrete politische Gefahr dar“, erklärt ein Sprecher von der größten Gewerkschaftsföderation COSATU. Arbeitslose seien immer bereit, einen Streik zu brechen und können außerdem von reaktionären Gruppen leicht beeinflußt werden. Trotzdem fordern die Gewerkschaften Sanktionen: „Disinvestierung ist eine notwendige Form und effektive Form des internationalen Drucks auf das südafrikanische Regime.“ Mit dieser Resolution drückte Ende letzten Jahres der Gründungskongreß von COSATU seine Unterstützung für wirtschaftlichen Druck auf Südafrika aus. Nachdem nun Südafrikas wichtigste Handelspartner Sanktionen gegen das Land verhängt haben, werden die Gewerkschaften in nächster Zukunft mit den Konsequenzen dieser Maßnahmen fertig werden müssen. Doch die Diskussion über die Reaktion auf die Entwicklung ist noch lange nicht ausgereift. Immerhin wurde die Sanktionskampagne vor allem von Widerstandsorganisationen außerhalb Südafrikas lanciert. Marcel Golding, Pressesprecher der Bergarbeitergewerkschaft NUM, erklärt, daß eine wachsende wirtschaftliche Krise das Apartheidregime schwerer treffen wird, als die unterdrückte Mehrheit. „Sie werden es schwieriger finden, ihre Armee und Bü rokratie zu finanzieren“, sagt Golding. Dennoch gibt er zu, „daß wir einen grausamen Feind bekämpfen. Es wird auch bei uns Verluste geben.“ Die Zahl der Arbeitslosen wird zweifellos wachsen, die Gewerkschaften werden Mitglieder verlieren. Aus diesem Grund plant COSATU schon seit langem die gewerkschaftliche Organisierung der Arbeitslosen. Erste konkrete Schritte in diese Richtung sind schon gemacht worden, obwohl die Gründung einer Arbeitslosengewerkschaft frühestens für nächstes Jahr erwartet wird. Doch eine solche Gewerkschaft wäre ohne Zweifel die größte Einzelgewe könnten.
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