: Zündstoff bei der Atombehörde
■ 30. IAEA–Generalkonferenz eröffnet: Warnungen vor „Atomterrorismus“ / Problemfälle Israel und Südafrika
Aus Wien Thomas Scheuer
Das Konferenzkarussell der Nukleokraten dreht sich weiter: Nachdem am Freitag in der Wiener Hofburg die dreitägige Sonderkonferenz der Internationalen Atomenergie–Behörde (IAEA) über Reaktorsicherheit beendet worden war, wurde gestern die 30. Generalkonferenz der IAEA eröffnet. Sie ist das höchste Gremium der 113 Mitgliedsstaaten zählenden IAEA und tagt seit deren Gründung vor 30 Jahren traditionell alljährlich im Herbst. Auch die Routine–Tagesordnung birgt politischen Zündstoff: Sie umfaßt Punkte wie die „nuklearen Kapazitäten“ Israels und Südafrikas. Erst vor einer Woche waren Verhandlungen zwischen Südafrika und der IAEA gescheitert, weil das Kap–Regime nicht im geforderten Umfang die Kontrolle seiner Atominstallationen durch IAEA–Inspizienten dulden wollte. Ein Beschluß der Generalkonferenz ist zu erwarten, in dem der Ausschluß Südafrikas von wissenschaftlicher oder technischer Kooperation verlangt wird. Zwei allgemeine Aspekte der Generalkonferenz sind bisher bemerkenswert: Zum einen zeichnet sich deutlich eine politisch gewollte Aufwertung der bis Tschernobyl eher im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit wirkenden IAEA ab, zum anderen wird der sogenannte „Atomterrorismus“ - befürchtete Anschläge auf AKWs - thematisiert. Fortsetzung auf Seite 6 Die Atom–Lobby wird die IAEA, die per Satzung die Förderung und Verbreitung der Atomenergie zum Ziel hat, gleichzeitig aber das Image einer neutralen Überwachungsbehörde pflegt, zukünftig verstärkt für ihre Propaganda einsetzen. Im Hinblick auf das „öffentliche Weltbewußtsein“, so prophezeite beispielsweise Bonns Umweltminister Wallmann, werde die IAEA zukünftig „eine größere Rolle spielen, als je zuvor in ihrer Geschichte.“ An den IAEA–Charakter wird zu erinnern sein, wenn im Herbst ein IAEA– Kontrolltrupp publicity–trächtig ins AKW Biblis einrückt. Zum zweiten fällt in Wien geradezu auffallend häufig ein bisher eher tabuisierter Begriff: Atom– Terrorismus. Damit meinen die Atomiker jedoch keineswegs das weltweite Atomwaffenpotential oder die von zivilen Atomfabriken ausgehende Bedrohung. Sie verstehen darunter vielmehr die Gefahr terroristischer Anschläge oder - so die spezielle sowjetische Sichtweise - militärische Angriffe auf Nuklearanlagen. „Es muß ein verläßliches System von Maßnahmen entwickelt werden zur Verhinderung aller Formen von Atom–Terrorismus,“ forderte der sowjetische Delegationschef Boris Chscherbina. Paradoxie dabei: Wenn schon Atombomben fallen, dann bitte nicht auf Atomreaktoren - wegen der Strahlengefahren. Die westlichen Atomiker scheint angesichts der aktuellen Anschlagserie in Frankreich eher die Sorge um eine zivil–terroristische Attacke auf einen Meiler umzutreiben. IAEA–Generaldirektor Hans Blix zur aufkommenden Terror–Debatte: „Obwohl terroristische und andere Attacken auf nukleare Einrichtungen für nicht wahrscheinlich gehalten werden, können wir Maßnahmen zum Schutz gegen solche Attacken nicht außer acht lassen.“
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