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Hasenfus vor „Antisomozistischem Tribunal“

■ Staatsanwaltschaft Nicaraguas verlangt Höchststrafe von 30 Jahren Gefängnis für den US–Söldner, der den Abschuß seines Flugzeuges überlebte / Das Flugzeug führte Kriegsmaterial für die Contra mit / Verurteilung und spätere Abschiebung in die USA gelten als sicher

Aus Managua Ralf Leonhard

Der Prozeß gegen den US–amerikanischen Söldner Eugene Hasenfus vor einem „Antisomozistischen Volkstribunal“ in Managua begann mit einer Anklage gegen 130 Jahre Interventionspolitik der Vereinigten Staaten. Der 45jährige Luftfrachtspezialist war am 5. Oktober im südlichen Nicaragua abgeschossen worden und hatte nach seiner Gefangennahme gestanden, im Dienste des US–Geheimdienstes CIA Waffen und Nachschub für die Contras abgeworfen zu haben. Journalistenmeute vorm Gerichtssaal Die vier Sicherheitsbeamten des Innenministeriums, die Eugene Hasenfus am Montagnachmittag in den Gerichtssaal begleiteten, mußten sich einen Weg durch eine Meute von an die 300 Journalisten, mehrheitlich US–amerikanischer Provenienz, bahnen. Denn die Presse hatte von dem Lokal Besitz ergriffen, um dem ersten Strafverfahren gegen einen konterrevolutionärer Aktivitäten überführten US–Amerikaner bei zuwohnen. Hasenfus trug dasselbe schwarze T–Shirt und dieselben in Tarnfarben gehaltenen Halbstiefel wie bei seiner Festnahme. Er wirkte ausgeruht und gefaßt, als die Anklageschrift vom Vorsitzenden Richter Reynaldo Monterrey verlesen wurde. Generalabrechnung gegen die USA Die Verlesung der von Justizminister Rodrigo Reyes unterbreiteten Schrift nahm mehr als eine Stunde in Anspruch, da sie die Interventionen der Vereinigten Staaten in Nicaragua seit 1856 resümierte und speziell auf die Verurteilung der Destabilisierungspolitik Washingtons durch den Haager Internationalen Gerichtshof einging. Hasenfus sei lediglich ein Opfer der Politik seiner Regierung, hatte Präsident Daniel Ortega am Wochenende gesagt, auf der Anklagebank müßte vielmehr Ronald Reagan sitzen, der endgültig zum „internationalen Delinquenten“ geworden sei, indem er am Samstag seine Unterschrift unter die 100–Millionen–Dollar–Hilfe für die Contras gesetzt habe. Rechtsanwalt aus Opportunismus Die Staatsanwaltschaft verlangt die Verurteilung Hasenfus zur jeweiligen Höchststrafe für drei Delikte: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beteiligung an terroristischen Akten und Verstoß gegen das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Letzteres ist die rechtliche Grundlage für den Großteil der Anklagen wegen konterrevolutionärer Umtriebe und sieht die Höchststrafe von 30 Jahren vor. Dem Angeklagten wurde von Amts wegen eine Dolmetscherin zur Seite gestellt, die anschließend eine beglaubigte englische Version der Anklage verlas. Der Beschuldigte hat nun zwei Tage Zeit, sich dazu zu äußern. Seine Ehefrau Sally hat inzwischen einen Verteidiger ausgewählt: Enrique Sotelo Borgen ist Abgeordneter der Konservativ– Demokratischen Partei und auf die Regierung nicht gut zu sprechen. „Ich habe vor diesem Gericht schon über 100 Angeklagte verteidigt: drei wurden freigesprochen, alle anderen verurteilt“. An der Verurteilung des ehemaligen Korporals des US–Marine–Corps und langjährigen CIA– Kollaborateurs bestehen wenig Zweifel. Der Angeklagte wurde in flagranti auf einem Versorgungsflug für eine Contra–Einheit im südlichen Nicaragua abgeschossen und hat bereits vor dem Untersuchungsrichter ein umfassendes Geständnis abgelegt. Die aus dem Flugzeugwrack geborgenen Dokumente belegen außerdem einen Großteil seiner Aussagen. Pilot William Cooper, Co–Pilot Wallace Sawyer und ein viertes, nicht identifiziertes Besatzungsmitglied lateinamerikanischer Herkunft, fanden bei dem Abschuß den Tod. „Volkstribunale“ gegen Contra Die „Antisomozistischen Volkstribunale“ sind ein Produkt der Notstandsgesetzgebung. Sie wurden 1983, als aus dem benachbarten Honduras immer öfter Contra–Einheiten in Nicaragua einfielen, geschaffen, um die ordentlichen Strafgerichte zu entlasten. Kollaborateure und Aktivisten der bewaffneten Konterrevolution werden in Schnellverfahren abgeurteilt. Die „Antisomozistischen Volkstribunale“ stehen im Kreuzfeuer der Kritik von Menschenrechtsorganisationen und Justizexperten: Zwar wird ordentliches Strafprozeßrecht angewandt, doch gibt es nur eine Berufungsinstanz - und eine Revision durch den Obersten Gerichtshof ist nicht möglich. Die Unbefangenheit der beiden Schöffen wird außerdem in Zweifel gezogen, da sie von den sandinistischen Massenorganisationen gestellt werden. USA: „Ein Schauprozeß“ Erwartungsgemäß hat die US– Botschaft das Verfahren von vornherein als Schauprozeß abgestempelt. Doch scheinen sich der Richter und der als Ankläger auftretende Justizminister um äußerste Korrektheit zu bemühen. In jedem Fall wird Eugene Hasenfus wohl kaum seine volle Strafe in Nicaragua absitzen. Unter den Zuschauern werden jetzt bereits Wetten abgeschlossen, nach wievielen Wochen er in die USA abgeschoben wird.

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