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„Kaum noch Hoffnung“

Sekhukhuneland (taz) - „Wenn unsere Kinder morgens aufwachen, wollen sie essen,“ erklärt Frans Makola, zu dessen Haushalt 15 Menschen gehören. „Bei Sonnenuntergang, bevor sie schlafen, wollen sie essen. Woher sollen wir Lebensmittel kriegen, wenn wir nicht betteln gehen? Aber unsere Nachbarn haben es satt, daß wir jeden Tag betteln. Zum Glück gibt es bestimmte eßbare, wenn auch bittere, Wurzeln, die in den Hügeln von Sekhukhuneland vorkommen. Auch damit läßt sich ein knurrender Magen füllen. Dennoch sind schon fünf Arbeiter, geschwächt durch den Hunger, gestorben. Makola ist einer von mehr als 70 Männern, die sich in den Warteraum der Klinik unweit der Landstraße drängen. Die Straße ist noch in Südafrika; die Klinik, umgeben von dürren, steinigen, mit Aloen bewachsenen Hügeln, befindet sich im Homeland Lebowa, 250 Kilometer nordöstlich von Johannesburg. Aus allen Teilen von Sekhukhuneland, einem 20 Kilometer langen, dichtbesiedelten elenden Tal, kommen die Arbeiter, um sich mit ihrem Anwalt und Vertretern der Gewerkschaft zu treffen. Sie alle haben Sand in den Haaren, in den Ohren, im Hemd und in den Hosentaschen, nachdem eine Windhose plötzlich mit überraschender Wucht den roten Sand aufgewirbelt hat. Frans Makola und seine Kollegen haben schon fast die Hoffnung aufgegeben. Jeder von ihnen hat riesige Schulden bei den Händlern in der Gegend. Sie haben kein Geld, um ihre Kinder in die Schule zu schicken. Selbst wenn sie trotz weitverbreiteter Arbeitslosigkeit einen Job finden können - sobald der neue Arbeitgeber erfährt, daß sie sich an dem Streik beteiligten, werden sie wieder gefeuert. Gelegenheitsarbeit gibt es kaum, und das Betteln ist demütigend. „Einige von uns sind von ihren Frauen verlassen worden,“ erzählt Makola. „Sie denken wir sind zu faul um zu arbeiten. Sie verstehen nicht, daß tief in uns das Begehren brennt, zurück zur Arbeit zu gehen.“ Auch Transvaal Alloys, die südafrikanische Tochterfirma der Norddeutschen Affinerie, hat für dieses Begehren bisher kaum Verständnis gezeigt. Mehr als zwei Jahre lang verhandelt die Gewerkschaft nun schon mit der Firma. Erst vor kurzem zeigte sich die Firma bereit, noch ausstehende Renten– und Urlaubsgelder an die Arbeiter auszuzahlen. Doch dazu richtete Transvall Alloys sich nicht etwa an den Rechtsanwalt der Arbeiter. Stattdessen benutzte man die Apartheid–Behörden im Homeland Lebowa, das berüchtigt ist für die Brutalität seiner Polizei. Da hing eines Tages am schwarzen Brett des örtlichen Friedensgerichts eine Liste mit den Namen der Arbeiter aus, mit der Bitte, daß sie sich zwecks Rückzahlung der ausstehenden Gelder melden sollten. Dem Friedensrichter wurde auch gleich noch ein Fragebogen von Transvaal Alloys mitgeliefert. Eine der Fragen: „Unter welchen Entbehrungen haben sie seit 83/11/21 leiden müssen? Diese Ausnutzung von Apartheid–Strukturen hat bei der Firma Tradition. Es war die Ausbeutung von billigen, von der Apartheid– Politik gelieferten Arbeitskräften, die 1983 zu dem Streik führte. Damals verdienten die Arbeiter einen Stundenlohn von 55 cents (ca. eine Mark). Sie wurden für Übertretungen der Betriebsregeln ausgepeitscht, mußten für Versptätungen Geldstrafen zahlen, lebten in Wohnheimen, in denen 25 ein Zimmer teilen mußten. Die Firmenleitung weigerte sich außerdem, die Gewerkschaft im Werk zuzulassen. Dennoch besteht die Firma noch heute darauf, daß sie sich nach dem Streik 1983 dem Gesetz entsprechend verhalten hat. Tatsächlich war der Streik „illegal“. Tatsächlich wurde vom Arbeitsgericht eine Berufung der Arbeiter zurückgewiesen und ihre Entlassung für rechtmäßig erklärt. Doch daß die Firma massiv gegen den EG–Kodex für europäische Firmen in Südafrika verstoßen hatte, daß die Arbeitsgesetzgebung der Apartheid nicht gerade Sympathie für die Angestellten zeigt, daß einer der reaktionärsten Richter das Urteil fällte - all das bleibt auch heute für Transvaal Alloys (und die Norddeutsche Affinerie) irrelevant. Was diese Einstellung für sie bedeutet hat, verdeutlicht Stephelina Tau, deren Mann Simon im März 1985 starb. In der Nachmittagssonne sitzt sie auf der Stufe vor ihrer aus Lehm und Kuhmist gebauten Hütte. Nach dem brennend heissen Tag, der das schon seit Jahren von Dürre geplagte Land noch weiter ausgetrocknet hat, ist es nun angenehm kühl. „Wir leben in Armut,“ erzählt sie. „Seit mein Mann starb, habe ich kein Einkommen mehr. Ich sitze einfach hier zuhause. Ich denke der Hunger hat eine Rolle beim Tod meines Mannes gespielt. Hätten wir Essen gehabt, dann hätte er die Kraft gehabt, die Krankheit zu bekämpfen. Doch wir hatten nicht einmal Geld, ihn zur Klinik zu bringen. So ist er zuhause gestorben.“ Hans Brandt

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