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I N T E R V I E W „Das ist kein totalitärer Staat“

■ Helmut Frenz, der ehemalige Generalsekretär der deutschen Sektion von amnesty international war im Rahmen der „Ökumenischen Initiative für Frieden und Gerechtigkeit in Mittelamerika“ in Nicaragua.

taz: Herr Frenz, Sie waren schon mehrere Male in Nicaragua und haben selbst sehr differenzierte Betrachtungen über die Situation der Menschenrechte im Lande geliefert. Haben Sie bei dieser Reise besondere Veränderungen feststellen können? Frenz: Wir haben während dieser vierwöchigen Fahrt sehr viel miterlebt und gesehen und hatten Gespräche mit vielen Gruppen und Organisationen. Wir haben auch lange mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen gesprochen, auch mit dem Leiter der CPDH* (spanische Abkürzung, d.Red.), der regierungsunabhängigen Kommission. Ich sage bewußt regierungs–unabhängig, denn sie mischt sich in die politische Diskussion und arbeitet im Sinne der Opposition und von Reagan. Und ich war deswegen empört, weil der Leiter der CPDH, ohne zu wissen, wer ich war, das Blaue vom Himmel herunter gelogen hat und sich dabei auch noch stets auf amnesty berufen hat. Was hat er erzählt? Daß amnesty behauptet hätte, daß es Geheimgefängnisse gäbe, wo gefoltert würde. Dabei hat amnesty sich nur auf ein Gefängnis berufen, das aber kein Geheimgefängnis ist. Er mußte zugeben, daß sie selber keine Untersuchungen anstellen, sondern nur alle „denuncias“, also Anzeigen aufnehmen und auflisten, ohne selber der Sache nachzugehen. Als ich ihm sagte, wer ich war, und ihn aufforderte für seine Anschuldigungen von Folterungen und Geheimgefängnissen Namen und Adressen vorzulegen, konnte er das nicht, versprach aber, dies nachzureichen. Wir wollten ja solches Material haben, um der Sache nachzugehen. Aber da kam nichts mehr, d.h. von allen Anschuldigungen blieb überhaupt nichts. Nichts! Dann sprachen wir auch mit der von der Regierung eingesetzten Kommission, die nach einem „Internationalen Pakt von 1966 über bürgerliche und politische Rechte“ jeweils von den Regierungen eingesetzt, die Aufgabe haben soll, ein Bewußtsein über umfassende Menschenrechte im Land zu verbreiten. Meines Erachtens hat diese Kommission sich viel zu sehr auf eine Verteidigung gegenüber der CPDH, und auf das Niveau der individuellen Menschenrechtsverletzung eingelassen. Dabei wäre es vielmehr ihre Aufgabe auf die Erfüllung der kollektiven Menschenrechte wie Gesundheitsversorgung und Bildung zu drängen. Das heißt, die staatliche Kommission reagiert auf die Angriffe von außen? Ja, und das obwohl die CPDH sich ja auch jetzt wieder völlig disqualifiziert hat, keine ernstzunehmende Quelle ist und auch keine sachliche Auskunft geben kann, über das, was wirklich im Lande passiert. Wahrscheinlich ist dazu auch die andere Menschenrechtsorganisation nicht in der Lage, weil das ja auch nicht ihre Aufgabe ist, und weil sie natürlich parteiisch und im Sinne der Regierung arbeitet, es ist ja eine amtliche Kommission. Was ist das Resümee Ihrer Reise? Wir müssen anprangern, das dieses Volk nicht in Freiheit leben kann, wenn es in einen Krieg gezwungen wird. Wir hatten den Eindruck - auch nach einem langen Gespräch im Außenministerium - daß die Regierung bemüht ist, auf allen Ebenen Entspannung zu schaffen. Immer wieder betonten sie auch ihre Gesprächsbereitschaft mit dem Präsidenten der USA. Das ist kein totalitärer Staat. Das wirkliche Problem in Nicaragua ist der Krieg, der sehr viele Opfer fordert. Für dessen Beendigung müssen wir uns einsetzen. *Auf die CPDH stützte sich im wesentlichen die Kampagne des CDU– Generalsekretärs Geißler zu Menschenrechtsverletzungen durch die sandinistische Regierung von Nicaragua. Das Gespräch führte Eva v. Hase Mihalik

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