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Der „Heilige Krieg“ der Generäle

■ 30.000 Menschen „verschwanden“ unter der argentinischen Militärdiktatur. Camps, als Polizeichef von Buenos Aires einer der Hauptverantwortlichen, bereut nichts

General Ramon Camps ist zweifellos eine der dunkelsten Figuren der Diktatur, die die Militärs 1976 in Argentinien installierten und die mit dem 1982 verlorenen Krieg um die Inselgruppe der Malwinen (Falkland) zuende ging. Menschenrechtsorganisationen schätzen, daß während der siebenjährigen Diktatur über 30.000 Menschen „verschwanden“, d.h. von staatlichen Geheimkommandos verschleppt und umgebracht wurden, ohne daß offizielle Stellen der Diktatur irgendwelche Festnahmen bestätigten. Die Praxis des „Verschwindenlassens“ wurde massiv und systematisch zum erstenmal in Argentinien angewandt, und Argentinien hat Schule gemacht. Die „Desaperecidos“, die „Verschwundenen“, für deren Schicksal der Staat ostentativ jede Verantwortung ablehnt, gab es danach und gibt es heute noch in zahlreichen Staaten Lateinamerikas. Ramon Camps, der „Schlächter von Buenos Aires“ wurde nach dem Putsch Polizeichef der Provinz Buenos Aires. Mindestens sieben geheime Folterzentren, für die der Begriff Konzentrationslager keine Beschönigung ist, unterstanden seiner Verantwortung. Camps war an entscheidender Stelle am „Heiligen Krieg gegen die Subversion“ beteiligt. In diesem „schmutzigen Krieg“ gegen die Opposition, gegen die Guerilla der Montoneros, gegen die peronistischen Gewerkschaften, gegen alles, was sich gegen die Diktatur regte, ließ Camps 7.000 Menschen „verschwinden“ - und er hat es nie bereut. Im Gegenteil, er bekannte sich stolz dazu. In einem Interview, in dem er sich als Opfer der „Absprachen zwischen Alfonsin und dem Marxismus“ darstellte, bekannte er: „Die meisten von ihnen sind tot, andere flohen unter falschem Namen ins Ausland und eine kleine Minderheit hat mit uns kollaboriert und wurde unter falscher Identität freigelassen.“ Für den General waren seine Opfer eben „keine Menschen, sondern Subversive“, wie er selbst darlegte. Im September 1976 ließ er eine ganze „subversive“ Familie, die Eltern und ihre Kinder im Alter von fünf und vier Jahren sowie sechs Monaten, durch Kopfschüsse töten. Eine der Episoden des Heiligen Kriegs, so Camps in einem Interview vor zwei Jahren. Was der „Heilige Krieg gegen die Subversion“ bedeutet hat, konnten die Argentinier im Herbst auf Leinwand sehen. Hunderttausende von Argentiniern sahen den Film „Die Nacht der Bleistifte“, der die Entführung und Ermordung von Schülern zum Thema hat und das gesellschaftliche Trauma Argentiniens ins kollektive Bewußtsein hebt. thos

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