: Polizei mit Macht gegen Antifaschisten
■ Jagdszenen in Hagen: „Deutschlandtreffen“ der Skinheads endete mit Massenfestnahmen auf seiten der Gegendemonstranten / Riesenpolizeiaufgebot trennte 150 Skinheads von 2.000 Antifaschisten
Von Corinna Kawaters
Hagen - Gegen Geschäftsschluß am Samstag abend in der Hagener Innenstadt ging nichts mehr: Ein totales Verkehrschaos um den Hauptbahnhof verstopfte die Zufahrtstraßen. Verursacher waren zahlreiche Polizeifahrzeuge aus dem gesamten Ruhrgebiet, die an verschiedenen Straßenecken mit festgenommenen Punkern und Autonomen vollgestopft wurden. Begonnen hatte alles ganz friedlich: Ein breites antifaschistisches Bündnis hatte nach Bekanntwerden eines geplanten Deutschlandtreffen der Skins. So hatten sie am 8.11. die von der Hanau–Demo zurückgekehrten Atomkraftgegner im Hagener Hauptbahnhof überfallen und mit Schlagringen, Baseballschlägern und Billardstöcken schwer verletzt. Am Samstag wurden nur 150 Glatzköpfe gesichtet, obgleich, wie es hieß, bundesweit dafür mobilisiert worden war. Zur Demonstration, vom „Antifaschistischen Forum Hagen“ getragen, erschienen ca. 2.000 Punker, Autonome, gewerk schaftliche Gruppen, junge Ausländer - und mindestens 500 Polizisten. Diese Fraktionen bewegten sich in kleinen Gruppen nach der Abschlußkundgebung am Bahnhof zwischen Weihnachtsmarkt, dem Kaufhaus Horten und dem Hauptbahnhof hin und her, überwacht von Sondereinsatzkommandos in Kampfmontur und einem ständig kreisenden Polizeihubschrauber. Am Nachmittag trafen dann Autonome und Polizei vor dem Internationalen Zentrum „Halk Baris“ aufeinander. Dieses Zentrum wird seit einiger Zeit immer wieder von Skins bedroht. Doch nicht gegen die Rechtsradikalen richtete sich die nachmittägliche Polizeiaktion, sondern gegen die Besucher des Zentrums. „Wir wollten hier gerade mit dem Friedens– und Freundschaftsfest anfangen“, erzählte eine Frau, „da kam das SEK und riegelte alles ab. Das Sondereinsatzkommando versperrte die Zufahrt, durchsuchte das Gebäude und alle Leute, die im Haus und im Hof angetroffen wurden. Während die Männer nur ihre Personalien angeben mußten, wurden die Frauen genauer durchsucht und wurden sogar zum Ausziehen gezwungen. Ausbeute dieser zweistündigen polizeilichen Maßnahme: der Leergutcontainer des Zentrums. Inzwischen hatten sich in den umgebenden Straßen Antifaschisten und Schaulustige versammelt. Bei der Auflösung dieser Menschenmenge ereigneten sich dann die „Hagener Jagdszenen“: Gruppen und Grüppchen von Punkern und Antifaschisten wurden von Poli zeiketten durch die Stadt gejagt. Während die Skins sich vor einer Kneipe in der Nähe des Hauptbahnhofs versammelten, bog eine Gruppe Antifaschisten um die Ecke und wurde sofort von der Polizei eingekesselt und abtransportiert. Die Skins wurden von einer Polizeikette geschützt und konnten in Ruhe wieder ihr Bier trinken. Vor dem Hauptbahnhof wurde in der nächsten Stunde jeder festgenommen, der als Punker, Autonomer oder Demonstrant zu identifizieren war. Ganz zum Schluß wurde auch das Skin–Lokal „Old Bottle“ geräumt. Übertriebene „Fairneß“ gegenüber den Rechtsradikalen: Sie wurden als letzte festgenommen, dafür aber auch als erste wieder freigelassen. Nach Ansicht des Sprechers der Hagener Polizeidienststelle Riese seien die 46 vorläufigen Festnahmen durch die Strafprozeßordnung gerechtfertigt. 87 Personen seien „zur Durchsetzung von Platzverweisungen nach Polizeigesetz entfernt“ worden. Diese offiziellen Zahlen scheinen allerdings erheblich geschönt zu sein. Nach Beobachtungen der drei anwesenden taz–Redakteure und des Fotografen müssen es erheblich mehr gewesen sein. Laut Aussage des Hagener Demo–Ermittlungsausschusses sind gegen zwei Teilnehmer Strafanzeigen wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung ergangen. Der Hagener Rechtsanwalt Ingo Theissen bittet Zeugen der Polizeiaktion im „Halk Baris“, sich bei seiner Adresse am Elbersufer 12 in Hagen zu melden.
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