: WAAhnsinns–Bilanz in der Grauzone
■ Abrechnung des Burglengenfelder Anti–WAAhnsinnsfestival schließt mit 200.000 DM Erlös / Nur 50.000 Karten verkauft an 100.000 Besucher / Grönemeyer sauer auf Veranstalter / Kinostart am 18. Dezember
Aus Nürnberg Bernd Siegler
Nürnberg (taz) - „Das ist schlichtweg ein Witz.“ Während Herbert Grönemeyer über das WAA–Festival in Burglengenfeld überhaupt kein Wort mehr verlieren will, empört sich sein Manager Klaus Ulrich über die Schlußabrechnung, die bisher nur in Auszügen an die Öffentlichkeit gelangt ist. Nach Angaben von Helmut Ertel, Steuerberater, Schatzmeister der Schwandorfer BI und für die Geldverwaltung des Festivals zuständig, hat das „kulturelle Jahrhundertereignis“ (Wolfgang Niedeken, BAP), das am 25. und 26.Juli dieses Jahres rund 100.000 Besucher auf den Lanzenanger in Burglengenfeld gelockt hat, einen Reinerlös von 200.000 DM eingespielt. Vor dem Festival hat der veranstaltende „Verein zur Beratung und Förderung kultureller Jugendarbeit“ rund 840.000 DM Reinerlös erwartet, Festival– Pressesprecher Michael Herl sprach am Ende des bayerischen Woodstock „gar von“ 800.000 bis 900.000 DM, die dem Widerstand gegen die WAA zufließen sollten. Real zugeflossen ist bisher herzlich wenig. Der Prozeßkostenfonds erhielt einen Scheck über 60.000 DM, das Anti–WAA–Büro in Schwandorf 20.000 DM, das Info–Büro 10.000 DM und die BIWAK 5.000 DM. Die Ökostation in der Oberpfalz soll in Kürze 40.000 DM erhalten. Als Grundlage für die Geldverteilung nennt Ertl 50.000 verkaufte Eintrittskarten, „die genaue Zahl läßt sich im nachhinein nicht mehr feststellen“. Den Einnahmen von 1,2 Millionen DM stünden jedoch eine Million DM an Kosten gegenüber. Ca. 100.000 DM mußten an umliegende Bauern für zerstörte Felder gezahlt werden, Bühne und andere Infrastrukturkosten schlagen mit 200.000 DM zu Buche, der Ordnungsdienst aus überwiegend professionellen Ordnern mit weiteren 100.000 DM. Auch mit dem Münchener Unternehmen „TOP– Catering“, das die Versorgung der Künstler und Roadies mit Essen und Trinken auf dem Festival organisiert hatte, liegen die Ver anstalter im Clinch. Daß das Festival „ein Geschäft für viele, nur nicht für den Widerstand war“, wie der Grüne Wolfgang Daniels behauptet hatte, läßt Ertel nur beschränkt gelten. Der Schatzmeister fühlt sich derweil in einem Zielkonflikt. Auf der einen Seite droht die hohe Besteuerung des Finanzamtes, auf der anderen Seite hätten Künstler und Besucher das Recht, die richtigen Zahlen zu erfahren, zumal das Festival mit dem Slogan geworben hatte „Jede Mark geht in den Widerstand gegen die WAA“. „BAP kann damit leben“, meint dagegen Roland Temme, genannt „Balou“, von der Kölner Erfolgsband zur Waahnsinns–Bilanz.“Natürlich erhöhen sich die Kosten, wenn man vier bis fünf Tage vor dem Festival gar nicht weiß, wo und ob überhaupt das Ganze stattfinden kann“, spielt er auf das Verbotsgerangel kurz vor dem Festival an. Jetzt nach Profis zu schreien führe zu nichts. „Bei der Unsicherheit und dem Risiko hätte kein Profi dieses Konzert veranstaltet. Das Ding war total genial, total super.“ Auch in Zukunft werde BAP bei derartigen Veranstaltungen mitmachen, ganz im Gegensatz zu Grönemeyer. „Nur noch, wenn wir das selbst machen oder wenn ein entsprechender Reinerlös garantiert ist“, sagt sein Manager Ulrich, der indessen nicht daran glaubt, daß Geld in dunklen Kanälen verschwand. „In Burglegenfeld hätte mindestens eine Million für den Prozeßkostenhilfefonds bleiben müssen.“ Auch aus dem mit großem Werbeaufwand für den 18. Dezember angekündigten „WAAhnsinn - Der Wackersdorf–Film, 234 Tage nach Tschernobyl im Kino“ über das Burglengenfelder Festival hat sich Grönemeyer ausgeklinkt. Lediglich im Finale in der Allstar– Band wird er zu sehen sein. Man hätte sich auf eine Sache, auf das Festival, konzentrieren sollen. Jetzt gebe es zusätzlich ein Buch und eine Platte, die „in den Läden wie Blei herumsteht“: Ca. 50.000 sollen verkauft worden sein. Der Film wird vom Delta–Verleih, der auch Doris Dörries „Paradies“ vertrieben hatte, produziert. Kosten: 567.000 Mark.
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