: Strahlenopfer werden 20 Jahre nach US–Bomberabsturz untersucht
■ In Grönland ist das Ausmaß der Katastrophe immer noch geheim Dänische Regierung verharmloste die Folgen
Von Petra Bornhöft
Bochum (taz) - Neunzehn Jahre nach dem Absturz eines amerikanischen B–52–Bombers in Nordgrönland sollen jetzt erstmals die über 100 dänischen Strahlenopfer untersucht werden. Dies kündigte der dänische Regierungschef Poul Schlüter nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen Sozialdemokraten und konservativer Regierung über die geheimnisumwitterte Katastrophe an. Am 21. Januar 1968 sahen grönländische Fänger aus dem Thule–Distrikt, 1.500 Kilometer vom Nordpol entfernt, auf dem Eis Feuersäulen emporsteigen. Ein US–Flugzeug mit vier Wasserstoffbomben an Bord war abgestürzt. Dreizehn Grönländer eilten zu Hilfe. Am folgenden Tag wurden sie von Amerikanern gebeten, bei den Aufräumarbeiten zu helfen. Sie bauten Schnee– und Holzhütten, legten einen Helikopterplatz an. Gemeinsam mit etwa hundert Dänen und einer Reihe Amerikanern sammelten die ahnungslosen „Polareskimos“ Trümmer ein und füllten tonnenweise stark radioaktiv verseuchten Schnee und Eis in Behälter. „Wir ahnten ja gar nicht, wie gefährlich unsere Arbeit war“, berichtete Ungaaq Qujaakitsoq, der einen Monat an der Unglücksstelle beschäftigt war, kürzlich der grönländischen Presse. „Jeden Abend wurde unsere Polarbekleidung ausgetauscht, weil sie radioaktiv belastet sei, aber wir wurden nicht ausgewechselt. Ungaaq Qujaakitsoq fragt sich nun besorgt, ob die offenen Wunden an seinen Beinen etwas mit dem 21. Januar 1968 zu tun haben. Insgesamt dauerten die Aufräumarbeiten acht Monate. Erst im Spätsommer 1968 schifften Soldaten an der Thule–Airbase, dem wichtigsten US–Spionagezentrum in der Arktis, 600 Container mit „verstrahltem“ Schnee in die USA. Weil der Zugang zum Tatort leicht zu kontrollieren war, konnten US–Amerikaner und Dänen nahezu alle Informationen über den Bomberabsturz unterdrücken. Für beide Seiten handelte es sich um einen peinlichen Vorfall, hatten doch die Amerikaner vertragliche Vereinbarungen offensichtlich verletzt. Dänemark gewährt den USA zwar das Recht, militärische Anlagen auf Grönland zu betreiben, aber weder die Stationierung noch der Transport von Atomwaffen fallen darunter. Zweifel an der Vertragstreue der USA waren von der dänischen Regierung heftig dementiert worden. Trotz aller Verschwiegenheit sickerten immer wieder Informationen über die steigende Radioaktivität in der Umgebung der zum wissenschafltichen Observationsgebiet erklärten Absturzstelle durch. So kommentierte 1984 der Physiker O.W. Larsen vom dänischen Forschungszentrum Risö Untersuchungsergebnisse über Radioaktivität im Meer: „Ein einmaliger Fall, in dieser Weise Plutonium konzentriert an einer Stelle vorzufingen.“ (Politiken, 9.8.84) Gleichwohl ist das tatsächliche Ausmaß der Verseuchung weder den etwa 500 Einwohnern noch der dänischen Öffentlichkeit bekannt. Entsprechende Anfragen des Sozialdemokraten Kaj Poulsen seit September dieses Jahres beantworten die dänischen Innen– und Außenminister entweder gar nicht oder ausweichend mit dem Hinweis, Wissenschaftler hätten schon 1968 festgestellt, es bestünden „keine Risiken für Mensch, Tier– oder Pflanzenleben“. Dagegen waren bei mehreren Aufräumarbeitern Krankheiten festgestellt worden, die auf nukleare Strahlung zurückzuführen sind. Erst nachdem ein renommierter Arzt in der Presse die Forderung erkrankter Aufräumarbeiter nach nuklearmedizinischer Untersuchung unterstützt hatte, lenkte jetzt die Regierung ein. Demnach sollen auch die beteiligten grönländischen Fänger 19 Jahre nach ihrem gefährlichen Einsatz untersucht werden. Drei von ihnen leben nicht mehr. Todesursache: unbekannt.
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