: EG und USA im Clinch
■ Gespenst eines Handelskrieges geht um / USA: Agrarimportstop wegen Ärger über EG–Erweiterung
Pünktlich im Jahr der neuen Verhandlungsrunde des Internationalen Handelsabkommens GATT funkt es gewaltig zwischen den zwei größten Handelsblöcken, EG und USA. Nachdem sich Japan angesichts drohender Wirtschaftsrezession zu größerer Wirtschafts– und Währungskooperation mit den USA bereit erklärt hatte - im Gegensatz zur EG, schießt sich die US–Administration jetzt auf Europa ein. Man will gegen einige Importe aus der alten Welt die Grenzen dichtmachen, um Absatzchancen für die eigene Industrie un vor allem die Landwirtschaft zu verbessern. In der deutschen Agrarwirtschaft befürchtet man Exportverluste von einer Milliarde DM. Die EG–Bürokratie hofft noch auf klärende Gespräche am 23. Januar, während der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff schon heute nach „Vergeltung“ ruft.
Washington (taz) - Wenn die Europäische Gemeinschaft nicht einlenke, so der Handelsbeauftragte der US–Regierung, Clayton Yeutter, werde ab dem 30. Januar „zurückgeschossen“. Geschossen? Vielleicht nicht ganz der richtige Begriff, es sei denn, man faßt Einfuhrzölle mit in die Kategorie der Waffen. Derlei kriegerisches Vokabular ist jedoch zur Jahreswende urplötzlich wieder in Gebrauch gekommen, nachdem die Geduld der Reagan–Administration mit der europäischen Handelspolitik aufgebraucht war. Die Pfeile fliegen wieder einmal zwischen Washington und Brüssel. Aus Paris warnt der französische Handelsminister, nun werde „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ gekämpft, und in Washington droht Yeutter düster mit „größeren Behinderungen des internationalen Handels“. Schwert beiseite - worum geht es eigentlich in der neuesten Runde der vermeintlichen europäisch–amerikanischen Handelskriege? Es geht letztendlich um den spanischen Markt für amerikanisches Getreide, der den US–Farmern durch den Beitritt des iberischen Landes zur EG im letzten Jahr ver lorengegangen war. Die Übernahme der EG–Außenhandelsregeln bedeuteten für Spanien, seine Grenzen gegenüber Mais und Sorghum aus den Vereinigten Staaten faktisch zu verschließen, denn seit dem Beitritt zur Gemeinschaft wird für diese Importe aus Nicht–EG–Ländern eine zweihundertprozentige Einfuhrsteuer erhoben. Wenn sich daran nichts ändere, so die Drohung Clayton Yeutters, werde man ähnliche Zölle für europäischen Gouda, Schinken, Wein und Schnaps erheben. Man könnte angesichts der martialischen transatlantischen Debatten vermuten, daß es um größere Handelsströme geht - doch weit gefehlt. Zwar beläuft sich der Wert des US–Getreideexports nach Spanien und Portugal auf jährlich 400 Millionen Dollar, doch zwischen der EG und den USA wird jährlich das Dreihundertfache dieser Summe ausgetauscht - 120 Milliarden Dollar. Viel Lärm um nichts also. Aber, um bei den Sprichwörtern zu bleiben, Klappern gehört eben zum Handwerk, und, vor allem in den Vereinigten Staaten, zum Handeln. Wenn es um den Warenaustausch zwischen den USA und dem Rest der Welt geht, sind amerikanischen Wirtschaftsexperten und Politikern die schrillsten Töne gerade grell genug. Die Zahlen des letzten Jahres geben ihnen allen Grund zum Alarm - das Handelsdefizit kletterte 1986 in Rekordhöhen. Im Monat November allein betrug es 19,2 Milliarden Dollar, oder anders ausgedrückt: Während die USA in anderen Ländern Waren für 37,8 Milliarden Dollar kauften, konnten sie selbst nur für 18,6 Milliarden verkaufen. Das November–Handelsdefizit war nur der neue Gipfelpunkt eines Trends, der seit dem Beginn der achtziger Jahre feststellbar ist. Das Gesamthandelsdefizit der USA lag 1986 mit 173,5 Milliarden Dollar 17 Prozent über der Vorjahresziffer, obwohl der Verfall des Dollarkurses gegenüber der westdeutschen und der japanischen Währung den US–Exporteuren das Geschäft erheblich erleichterte. Streit auch im US–Kongreß Doch wie der Flut der Importe zu begegnen sei, ist Thema eines wachsenden Streits zwischen der Reagan–Administration und der Demokratischen Partei, die seit Dienstag beide Kammern des Kongresses kontrolliert. Im vergangenen Jahr scheiterte ein Gesetzesentwurf der Demokraten, der Importe bremsen sollte, doch es wird nicht mehr lange dauern, bis die oppositionellen Parlamentarier einen abermaligen Anlauf starten werden. Ein Entwurf aus dem vorletzten Jahr sah schlicht vor, gegen Länder mit „übermäßigem“ Handelsüberschuß eine Importzulage von 25 Prozent zu verhängen. Im letzten Mai wurde der Vorschlag dann leicht abgewandelt: Falls Verhandlungen mit solchen Staaten zu keinem Ergebnis führten, solle man die Importe aus jenen Ländern vier Jahre lang um je zehn Prozent kürzen. Reagan hat sich bis jetzt mit Händen und Füßen gewehrt, einem Gesetz seine Zustimmung zu erteilen, dem auch nur der leiseste Geruch von Protektionismus anhaftet. Protektionismus wollen sich allerdings auch die Demokraten nicht vorwerfen lassen, und so legen die oppositionellen Politiker auf verbalem Gebiet all den Erfindungsgeist an den Tag, der den industriellen Baronen Amerikas längst verloren gegangen ist. „Ein Handelsgesetz steht für uns an oberster Stelle der Tagesordnung“, meinte der Sprecher der Demokraten im Repräsentantenhaus, Jim Wright. Wirtschaftsexperten warnen denn auch, daß eine Kürzung der Importe nicht die Lösung sein könne. Wichtiger sei es, daß die Vereinigten Staaten die Märkte zurückgewinne, die es in den Zeiten des hohen Dollarkurses verloren hatte. Doch die produktive Basis der US–Exportwirtschaft schrumpft derweil immer weiter; der traditionelle Industriesektor hat längst vor der japanischen und europäischen Konkurrenz kapituliert. Die Lösung der Handelsprobleme kann nur gefunden werden, wenn in den Vereinigten Staaten wieder Waren produziert werden, die der Rest der Welt auch kaufen will. Stefan Schaaf
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