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Schulboykott in Südafrika beendet?

■ Trotz der Verschärfung des Ausnahmezustands befolgten schwarze Schüler den Aufruf von Eltern– und Lehrerverbänden, in die Schule zu gehen

Von Hans Brandt

Johannesburg (taz) - Tausende von schwarzen Schülern haben sich seit Mittwoch zum neuen Schuljahr in ihren Schulen in ganz Südafrika gemeldet. Landesweit wird mit etwa 1,8 Mio. schwarzen Schülern gerechnet. Allein in der Provinz Transvaal meldeten sich mehr als 500.000 Schüler an. Damit fügten sie sich der Aufforderung zur Beendigung der seit vielen Monaten anhaltenden Schulboykotte, zu der verschiedene Oppositionsgruppen aufgerufen hatten, darunter die Vereinigte Demokratische Front (UDF), die Azanische Volksorganisation (Azapo), der südafrikanische Kirchenrat und das Nationale Erziehungskrisenkomitee (NECC). Tatsächlich sind alle Seiten an einer Rückkehr der Schüler in die Schulen interessiert. Eltern haben Angst, daß die seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Unruhen eine ganze Generation kaum ausgebildeter Jugendlicher produzieren werden. Politische Organisationen haben es nicht geschafft, Schüler außerhalb der Schulen effektiv zu organisieren. Auch zu Beginn des Schuljahres 1986 hatten alle Widerstandsgruppen zur Rückkehr in die Schulen aufgerufen. Dies folgte auf eine vom NECC einberufene, nationale Konferenz, bei der der Aufbau des alternativen Schulsystems im Mittelpunkt stand. Auch 1986 befolgten die Schüler anfänglich den Aufruf. Selbst das Erziehungsministerium schien fast konziliant in seinem Umgang mit dem NECC. Auf die Forderungen der Schüler, darunter der Rückzug des Militärs aus Schulen und Townships und die Freilassung inhaftierter Schüler, ging Pretoria jedoch nicht ein. Schon nach wenigen Monaten hatten die Boykotte sich wieder verbreitet. Die im Juni verhängten Ausnahmebestimmungen enthielten dann neue repressive Maßnahmen, die Ruhe in den Schulen erzwingen sollten. Stattdessen festigten sich die Boykotte um so mehr. Inzwischen hat sich die Situation noch weiter verschärft. Das NECC hatte sich mit einem eigenen Geschichtsbuch und anderem Arbeitsmaterial darauf vorbereitet, in diesem Jahr alternativen Geschichts– und Sprachuntericht anzubieten. Pretoria will das mit aller Macht verhindern und verhängte deshalb Ende Dezember neue Ausnahmebestimmungen. Die Benutzung von Schulräumen für zusätzlichen Unterricht und Kleidungsstücke mit bestimmten Aufschriften können verboten werden. Seit Dezember ist mit zwei Ausnahmen die ganze Exekutive des NECC hinter Gittern, während der zuständige Minister, Gerrit Viljoen, die Organisation als „negativ“ und ohne Unterstützung in der Bevölkerung verurteilte. NECC–Sprecher Eric Molobi nannte das „verleumderisch“. Er wies darauf hin, daß Hunderte von Schülern und Lehrern noch immer im Gefängnis sind. Alternative Erziehung habe Viljoen „richtigerweise als eine Bedrohung seiner Regierung“ interpretiert Indessen ist auch die Schließung von 73 Schulen Ende letzten Jahres noch nicht aufgehoben. Pretoria macht die Wiedereröffnung der Schulen davon abhängig, ob Eltern bereit sind „die Verantwortung für das Benehmen ihrer Kinder“ zu übernehmen.

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