piwik no script img

Ambulante Abtreibung erschwert

■ Bundesverwaltungsgericht verneint Anspruch von Ärzten auf Zulassung zum ambulanten Schwangerschaftsabbruch / CDU–Länder drängen auf stationäre Abtreibung in den Krankenhäusern

Aus Berlin Gunhild Schöller

In den CDU–regierten Ländern Baden–Württemberg und Niedersachsen ist es weiterhin unzulässig, eine ungewollte Schwangerschaft ambulant in der Praxis eines Gynäkologen abzubrechen. Der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts urteilte gestern, daß ein Gynäkologe keinen Anspruch darauf hat, daß seine Praxis als Einrichtung zum ambulanten Schwangerschaftsabbruch zugelassen wird. Hintergrund dieses Verfahrens, das jetzt in letzter Instanz entschieden wurde, sind die Kla gen von vier Ärzten aus Baden– Württemberg und Niedersachsen, deren Anträge negativ beschieden wurden. Im Zuge der Reform des § 218 hatte der Gesetzgeber im Bund festgelegt, daß Abtreibungen nur in Krankenhäusern oder in „dafür zugelassenen Einrichtungen“ gemacht werden dürfen. Ohne diese Zulassung kann ein frei praktizierender Gynäkologe grundsätzlich nicht abtreiben, andernfalls macht er sich strafbar. Die CDU–Länder Baden–Württemberg, Niedersachsen und auch Bayern arbeiteten aber keinerlei Richtlinien aus, an denen die Eignung eines Arztes, seines Personals und seiner Praxiseinrichtung für die Durchführung von Abtreibungen zu bewerten wären. Solange keine Richtlinien erlassen sind, kann keinem Arzt die Zulas sung zum Abbruch erteilt werden. Deshalb war die strittige Frage vor dem Bundesverwaltungsgericht, ob ein Bundesland solche Richtlinien erlassen muß oder ob es ihm nach dem föderalen Prinzip freigestellt ist, dies zu unterlassen und damit grundsätzlich alle ambulanten Abbrüche in Praxen zu verhindern. Unter dem Vorsitzenden Richter Wilhelm Dodenhoff entschied das Bundesverwaltungsgericht, daß eine Zulassung nur die Ausnahme vom Verbot des ambulanten Abbruchs darstelle und der Arzt weder im Bund noch im Land einen Anspruch auf Zulassung habe. Der Arzt könne sich weder auf Artikel 12 Grundgesetz (Berufsfreiheit) noch auf die Zulassung von Arztpraxen in anderen Bundesländern berufen, argumentierte das Gericht. Nach dem föderalen Prinzip sei es jedem Land freigestellt, ob es gesetzliche Regelungen erlasse oder nicht. Im übrigen wäre auch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, versuchte er sich in dieser Frage einzumischen, überschritten. Für die Frauen in den betreffenden Ländern bedeutet dies, daß sie ausschließlich in Krankenhäusern oder einigen wenigen Privatkliniken einen Schwangerschaftsabbruch machen lassen können. Dort aber ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie nur stationär behandelt werden, relativ groß. In Baden–Württemberg stehen dafür nur 46 öffentliche Krankenhäuser und zwölf Privatkliniken zur Verfügung. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim, dessen Urteil jetzt von der höheren Instanz aufgehoben wurde, hatte darin noch eine „Unterdeckung des Bedarfs“ gesehen. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 DIE KRANKHEIT wird zur Qual Ich will dich noch einmal Ich will an deiner Seite sitzen und mit dir mich in die Vene spritzen möcht stundenlang die Hölle sehn und dann gemeinsam in die Klinik gehn. Wir sind so ein kurioses Pärchen verträumt, verliebt, verlogen wie im Märchen. ROSA VON PRAUNHEIM Dieses Urteil bietet den CDU– Ländern den Vorteil, Abtreibungen weitgehend kontrollieren zu können. Der „Krankenhauszwang“ für Abtreibungen bedeutet auch, daß sie über den Einfluß auf die Auswahl des Chefarztes steuern können, ob am örtlichen Krankenhaus Abtreibungen gemacht werden oder nicht. Da kein Arzt gezwungen werden darf, gegen seine moralische Überzeugung Schwangerschaftsabbrüchen vorzunehmen, kann bei einem Einstellungsgespräch schnell abgeklärt werden, welche Haltung der betreffende Bewerber hierzu hat. In diesem Urteil, das im Jahre 1985 ergangen und für den Arzt entschieden hatte, war auch kritisiert worden, daß zwar Krankenhäuser ohne gynäkologische Fachabteilung Abbrüche aller Risikogruppen machen dürften, Fachärzte aber generell von allen Schwangerschaftsabbrüchen ausgeschlossen seien. BVerwG 3 C 18.85, 3 C 19.85, 3 C 41.85 u 3 C 43.85 - vom 15.1.1987

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen