„Stammesfehden“ schwächen Position der NUM

■ Der Einheit der Gewerkschaftsmitglieder in den Minen Südafrikas wirken Konzerne mit allen Mitteln entgegen / Spaltung der Arbeiter durch Unterteilung in Stammesgruppen / Von oben eingeschleuste Provokateure schüren Kämpfe / NUM muß Problem lösen

Von Hans Brandt

Johannesburg (taz) - „Stammesfehden“ in Südafrikas Bergwerken gibt es schon seit Entdeckung der riesigen Bodenschätze vor hundert Jahren. Doch seit Gründung der schwarzen Bergarbeitergewerkschaft NUM 1982 haben auch diese Konflikte neue Bedeutung gewonnen. „Gewalt zwischen Minenarbeitern verschiedener Stämme ist auch eine Form der Auseinandersetzung zwischen Arbeitern und Managern“, sagt Dr. Kent McNamara, führender Forscher auf diesem Gebiet. „Selbstverständlich tragen die einschneidenden Veränderungen der letzten Jahre in der Arbeitsgesetzgebung zu solchen Konflikten bei.“ Die scharfen Vorwürfe, die der als liberal geltende Bergbaukonzern Anglo American und die NUM einander in den letzten Wochen gemacht haben, belegen das. „In vielen Fällen haben Gewerkschaftselemente die Funktionsträger und Kanäle zur Beilegung von Konflikten ignoriert, und trotz energischer Bemühungen der Geschäftsleitung ist es zu Gewalttätigkeiten gekommen. Es gab auch Fälle der Einmischung von außen in den Wohnheimen, bevor es zu den Auseinandersetzungen kam.“ Mit diesen Zeilen in seiner per Zeitungsanzeige verbreiteten Stellungnahme zum Tod von 62 Arbeitern auf zwei Anglo–Minen in den letzten drei Monaten nahm der Konzern das Kriegsbeil auf. Da half auch nicht, daß Anglo das südafrikanische System der Wanderarbeit und die Wohnsituation der Kumpel als weitere Faktoren nannte. NUM schlug mit einer eigenen Anzeige zurück: „Ein für alle mal - die Konflikte haben ihre Wurzeln in den Institutionen der Unterdrückung und Ausbeutung, die in der Bergbauindustrie existieren. Von diesem brutalen, drakonischen System hat Anglo profitiert.“ Für die NUM gehört der Kampf für eine neue Gesellschaft, „in der Arbeiter alle Aspekte ihres Lebens, auch ihres Lebens in den Minen, selbst kontrollieren“, zum Programm. Wichtigste Voraussetzung ist dabei gerade die Einheit ihrer Mitglieder. Doch die Minenbosse wirken dem mit allen Mitteln entgegen. „Erfolgreiche Dominierung in den Minen hängt ab von der Teilung der Arbeitskräfte“, erklärt Marcel Golding, NUM–Pressesprecher. Die Unterteilung in verschiedene Stammesgruppen ist dabei die erste, einfachste und erfolgreichste. Sie läßt sich über die Arbeitsvermittlungsbüros der Mi nen in den Homelands und Nachbarländern Südafrikas genauestens steuern. Die Minenhäuser halten ihre Einstellungsrichtlinien äußerst geheim. Doch es ist ein leichtes, zum Beispiel ein paar hundert Xhosas für eine Mine einzustellen, wenn die Sothos dort zu stark werden. Und wenn nach Auseinandersetzungen ein paar tausend Arbeiter gefeuert werden oder aus Angst freiwillig gehen, können sie leicht wieder andere einstellen. NUM–Sprecher vermuten auch, daß einzelne Minen Banden von Schwarzen, die nicht in der Mine arbeiten, angestellt haben, um „Stammesfehden“ zu schüren. Die werkseigenen Sicherheitsbeamten lassen sich dann beim Auseinandertreiben der kämpfenden Gruppen oft viel Zeit. Da fühlen die Arbeiter sich nicht mehr sicher und geben lieber freiwillig den Job auf. Unter dem Motto „das geht auch ohne Gewerkschaft“ gibt es Versuche, durch Versprechen von Beförderung oder regelmäßiger Wiedereinstellung nach Ablauf der Jahresverträge den Anschluß der Kumpel an die NUM zu verhindern. Darüber hinaus vermutet die NUM, daß Manager den Kumpeln die Gewerkschaft zum Beispiel als „Sotho–Gewerk schaft“ darstellen. Golding gibt zu, daß die NUM in den ersten Jahren versucht hatte, vor allem schwarze Facharbeiter anzuwerben. Da die bei der Geschäftsleitung beliebteren Arbeiter aus Lesotho jedoch schneller befördert wurden, hatte die NUM tatsächlich überwiegend Sotho–Mitglieder. Inzwischen konzentriert sich die Werbung von Mitgliedern auf ungelernte Arbeiter, was übrigens auch zur wachsenden Militanz der NUM beigetragen hat. Dennoch kann die NUM ihr Ziel, als einigende Kraft zu wirken, nicht ohne weiteres erreichen. Golding gibt zu, daß es selbst in Minen, in denen mehr als 80 Prozent der Arbeiter zur Gewerkschaft gehören, zu „Stammesfehden“ gekommen ist. Für die NUM ist das ein gefährliches, bisher ungelöstes Problem. Den Managern kann das nur recht sein.