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Die Entsorgung des Deutschen Museums

■ Leiterin der Abteilung Kernenergie entmachtet / KWU kauft Restauflage eines Buches, um es aus dem Verkehr zu ziehen / Museum auf dem Weg zum „Mausoleum atomaren Größenwahns“ / Museumsmitarbeiterin versetzt

Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) - „Das Nagen eines radioaktiven Wurms“ stellt der umweltpolitische Sprecher der SPD–Landtagsfraktion Hans Kolo in den Mauern des Deutschen Museums in München fest. Genauer gesagt nagt der Wurm in Gestalt der Atomlobby und des Bayerischen Umweltministeriums an der Unabhängigkeit der Darstellung von Wissenschaft und Technik des mit öffentlichen Mitteln finanzierten Museums. Damit, so Kolo, sei das berühmte Deutsche Museum auf dem besten Wege, zu einem „Mausoleum atomaren Größenwahns“ zu verkommen. Zwischenstationen in dieser Richtung sind die Absetzung der bisherigen Leiterin der Abteilung Kernenergie und das Verbot der weiteren Ausgabe eines Buches zum gleichen Thema. Ende 1985 beginnt Sylvia Hladky, im Deutschen Museum zuständig für die Bereiche Kernenergie und regenerative Energie, mit einer ausführlichen Darstellung des Themas Entsorgung von kerntechnischen Anlagen. Bereits im April 1986 eckt sie damit beim Umweltministerium an. Um der kritischen Kraft zu zeigen, wo es lang geht, wird Sylvia Hladky ins Info–Zentrum der WAA–Betreiberfirma Deutsche Gesellschaft zur Wiederaufarbeitung von abgebrannten Kernbrennelementen (DWK) eingeladen. Sie läßt sich nicht einschüchtern. Also wird ein Arbeitskreis zum Thema geschaffen. Als Sylvia Hladky dazu auch noch einen Vertreter des Öko–Instituts Freiburg vorschlägt, wird das ganze Thema bis Herbst letzten Jahres vergessen. Im November schließlich teilt ihr der stellvertretender Museumsdirektor Dr. Maurice mit, daß ein Dr. Schwankner den Bereich Kernenergie übernehmen soll und macht Zweifel von Personen außerhalb des Museum an einer objektiven Darstellung des Themas Entsorgung geltend. Das kann Dr. Schwankner wahrlich nicht passieren, hatte er doch schon ein Angebot für die Pressestelle im bayerischen Umweltministerium in der Tasche. Erst auf Nachfrage erfährt Sylvia Hladky einen Monat später, daß der Verwaltungsrat des Museum auf dieser Personalentscheidung besteht. Das wundert nicht, denn in diesem Gremium sitzen Vertreter von Siemens, MAN, Wacker–Chemie, der Bayrischen Vereinsbank und des Bayerischen Rundfunks. Zur gleichen Zeit wird das von Sylvia Hladky herausgegebene Buch „Kernenergie“, das das Deutsche Museum in seiner Schriftenreihe zur Technikgeschichte auflegt, aus dem Verkehr gezogen. Da „wegen der Vielzahl von sachlichen Fehlern“ und der „subjektiven Darstellung“ eine Neuauflage erfolgen müsse, wird die weitere Ausgabe des Buches im Buchladen des Deutschen Museums verboten. Um wegen eines Einstampfens den Rechnungshof nicht unnötig zu beschäftigen, greift die Kraftwerksunion (KWU) tief in die Taschen. Sie kauft sämtliche 1.250 verbliebenen Restexemplare des Buches zu je 6,80 DM auf, um es in der Versenkung verschwinden zu lassen. Seit gestern müssen sich Finanz– und Kultusministerium mit den Vorgängen befassen. Hans Kolo: „Wenn Sie zulassen, daß aus dem Deutschen Museum eine Außenstelle der KWU und DWK wird, dann ist das das Ende des Deutschen Museums.“

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