: London vor neuer Generation
■ Sizewell–Gutachter geben grünes Licht für PWR–Bauprogramm nach Three–Mile– Island–Muster / Acht Jahre Baustopp vorbei / PWR–Bau „kosteneffektivste Lösung“
Aus London Rolf Paasch
Der Abschlußbericht zur öffentlichen Anhörung über den Bau eines Hochtemperaturreaktors (PWR) im britischen Sizewell hat sich eindeutig für den Bau des umstrittenen Atomkraftwerks ausgesprochen. Mit seinem klaren Votum für den wassergekühlten Atommeiler (einer überholten Version des Three–Mile–Island– Reaktors), hat der Gutachter, Sir Frank Layfield, der Regierung nun Tür und Tor für ein neues Bauprogramm von Atomkraftwerken geöffnet. Nach der Parlamentsdebatte im nächsten Monat dürfte die britische Regierung noch vor den bevorstehenden Wahlen den Startschuß für den Bau von „Sizewell B“ geben. Bis zu vier weitere PWRs könnten dem folgen. Damit ist der achtjährige Baustopp für Atomkraftwerke in Großbritannien aller Wahrscheinlichkeit nach beendet. Obwohl die Regierung Thatcher 1979 mit dem Versprechen, 15 Atomkraftwerke zu bauen, an die Macht gekommen war, hatten planungstechnische Hindernisse und vor allem die sich über vier Jahre hinziehende öffentliche Anhörung zu Sizewell den Einstieg in die nächste Generation von Hochtemperaturreaktoren verzögert. Großbritanniens veraltete Magnox–Reaktoren haben ihre Lebenserwartung von 20 Jahren schon längst überschritten. Nach den 340 Tagen der öffentlichen Anhörung und nach 1 1/2 Jahren Schreibarbeit faßte Sir Frank sein proatomares Votum in 16 Millionen Worten zusammen. Auf den 3.000 Seiten seines Reports findet die Atomindustrie allerdings auch die Empfehlungen „einer verbesserten Informationspolitik“. Sein „Ja“ zum PWR stützt sich am Ende auf vergleichende Kostenrechnungen, die den PWR als angeblich „kosteneffektivste Lösung“ erscheinen lassen. Steward Boyle von den „Friends of the Earth“ hält diese Einschätzung nach dem Sturz des Ölpreises für „längst überholt“. Auch Sir Franks Argument, der PWR sei so sicher wie nur irgendwie möglich (er spricht von 1–2 Atomarbeitern, die als Folge der Strahlung umkommen werden) überzeugt die Atomkraftgegner wenig. Die Nichteinbeziehung von Tschernobyl in den Bericht, so die Oppositionsparteien, mache ihn weitgehend wertlos. Mit dem Plädoyer für den PWR der US–Firma Westinghouse wird sich die Regierung Thatcher auch gegen den heimischen gasgekühlten Reaktor (AGR) aussprechen, der als sicherer gilt. Die USA bauen den PWR schon seit 10 Jahren nicht mehr. Steward Boyle vergleicht ihn mit einem rasanten Rennwagen: „Solange er glatt läuft, ist er wunderbar, aber wenn irgend etwas schief geht, dann ist er nicht mehr zu kontrollieren.“
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