: SPD–Linke gegen ALKEM–Fan Steger
■ Heidi Wieczorek–Zeul kündigt nach Treffen der SPD–Linken im „Frankfurter Kreis“ eine Revidierung der Steger–Entscheidung zur Plutoniumfabrik ALKEM an
Von Klaus–Peter Klingelschmitt
Frankfurt (taz) - Die neue hessische Bundestagsabgeordnete der SPD, Heidi Wieczorek–Zeul, hat in einem Interview mit der taz die Revision der vom hessischen Wirtschaftsminister Ulrich Steger (SPD) angekündigten Genehmigungsauflagen für die Plutoniumfabrik ALKEM angekündigt. Nach einem Treffen des sogenannten „Frankfurter Kreises“, einem Zusammenschluß der Linken innerhalb der SPD, das am Wochenende in Bonn stattfand, erklärte Frau Wieczorek–Zeul gegenüber der taz definitiv, daß Stegers Ankündigung, der ALKEM den Umgang mit Plutonium noch zehn Jahre lang gestatten zu wollen, „keinen Bestand“ haben werde. Die durch die ALKEM–Entscheidung des Wirtschaftsministers provozierte Ankündigung der Grünen, die Koalition platzen zu lassen, falls Steger den AL KEM–Antrag auf dem bisherigen Produktionslevel tatsächlich genehmigen sollte, hat bei der SPD - nach der Bundestagswahl - hektische Aktivitäten ausgelöst. Die Grünen hatten in Hessen mit 9,4 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt zugelegt. Bereits am Montag nach der Wahl verabschiedete der Bezirksvorstand der SPD–Hessen–Süd, dem neben Frau Wieczorek–Zeul die hessischen Minister Görlach und Clauss angehören, einstimmig eine Beschlußvorlage für den Sonderparteitag der Hessen–SPD im Februar, in der die ALKEM für „nicht genehmigungsfähig“ erklärt wird. Diese Position dürfte auch auf dem Treffen des „Frankfurter Kreises“ mehrheitsfähig gewesen sein. Mit ihrer Ankündigung, daß die Entscheidungen des Herrn Steger revidiert werden müßten, bezog sich Frau Wieczorek–Zeul auch auf einen bereits Anfang 1986 gefaßten Beschluß der Hessen–SPD: „Die Verarbeitung von Plutonium in den Hanauer Nuklearbetrieben wird noch 1986 unterbunden, indem der Antrag auf Genehmigung der Brennelementefertigung bei der ALKEM abgelehnt wird.“ Die Sozialdemokraten scheinen sich bereits auf eine Formel geeinigt zu haben, mit der sie ohne Gesichtsverlust der Forderung der Grünen auf Nichtgenehmigung der ALKEM stattgeben können: Ulrich Steger hat gegen bindende Beschlüsse der eigenen Partei verstoßen und soll seinen Sessel räumen. Eine Stellungnahme des hessischen Wirtschaftsministers zu den Vorwürfen seiner Parteigenossen war am Sonntag nicht zu erhalten. In der SPD hat sich die Diskussion um die künftige Strategie der Partei am Wochenende vor allem auf die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit den Grünen konzentriert. Fortsetzung auf Seite 2 Interview auf Seite 5 SPD–Bundesgeschäftsführer Peter Glotz und der Vorsitzende der Düsseldorfer Landtagsfraktion, Friedhelm Farthmann, betonten vor Journalisten, daß in einer Demokratie grundsätzlich jede politische Gruppe mit jeder anderen koalitionsfähig sein müsse. Der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine, der als Nachfolger des SPD–Vorsitzenden Willy Brandt im Gespräch ist, sah „keine großen Unterschiede“ zwischen der SPD und „einem großen Teil der Grünen“, was die Themen Atomkraft und Mittelstreckenraketen angeht. Glotz sprach sich für rot–grüne Bündnisse in den Bundesländern Rheinland–Pfalz und Schleswig– Holstein aus, machte ein solches Zusammengehen aber von der Regierungsfähigkeit und Bereitschaft der Grünen abhängig, sich an der Regierungsarbeit zu beteiligen. Für die Bundespolitik schloß er jedoch auch eine Wiederannäherung zwischen SPD und FDP nicht aus. Lafontaine erklärte , eine Formel wie „Aus der NATO raus“, wie sie die Grünen verträten, sei ihm zu glatt. Dies sei nicht seine Position. Es gehe darum, das „große Gefährdungspotential zu überwinden, das durch die gegenwärtige NATO–Struktur, den militärisch–technischen Apparat, gegeben ist“. Die „destabilisierenden atomaren und chemischen Systeme müssen weg“, verlangte Lafontaine und forderte gleichzeitig mehr Souveränität für die Bundesrepublik. Bei einem zweitägigen Treffen von über 200 Mitgliedern der im „Frankfurter Kreis“ zusammengeschlossenen Parteilinken der Sozialdemokratie in Bonn wurde am Samstag Zufriedenheit mit dem Verlauf der innerparteilichen Diskussion über den künftigen Kurs geäußert. Über Personalfragen wurde nach Angaben der Organisatoren nicht gesprochen. „Es läuft eh alles so, wie wir das wollen“, hieß es in Frankfurt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen