: Irland: Die INLA frißt ihre Kinder
■ Mord an der Frau eines Führers der Irischen Nationalen Befreiungsarmee (INLA) / Richtungskämpfe um die Auflösung der Organisation / IRA verlangt Auflösung der INLA / Machtkämpfe zwischen Fraktionen
Aus Dublin Ralf Sotscheck
Beim Baden ihrer zwei Kinder ist am Samstag abend in der irischen Grenzstadt Dundalk die Frau des ehemaligen Stabschefs der Irischen Nationalen Befreiungsarmee (INLA), Dominic McGlin chey, von Unbekannten ermordet worden. Der Mord an Mary McGlinchey ist bereits der dritte in diesem Jahr, der aufgrund interner Auseinandersetzungen in der Guerillagruppe verübt worden ist. Die INLA und ihr politischer Flügel, die Irische Republikanische Sozialistische Partei (IRSP), sind 1974 aus einer Abspaltung der offiziellen IRA/Sinn Fein entstanden, weil sie den reformistischen Kurs und die Tendenz, den bewaffneten Kampf einzustellen, nicht akzeptierten. Gegen Ende der 70er Jahre verloren IRSP und INLA immer mehr an Bedeutung, weil führende Mitglieder beider Organisationen vermutlich vom britischen Geheimdienst ermordet worden waren. Die Diskussionen um Parlamentarismus und bewaffneten Kampf ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte Sinn Feins und der IRA, aus deren Abspaltungen auch die heute größte Partei Irlands, Fianna Fail, entstanden ist. In den letzten drei Jahren gab es Machtkämpfe in der INLA, die zu einer Entstehung von vier rivalisierenden Gruppierungen innerhalb der Organisation führten. Die IRA fordert die Auflösung der INLA, weil durch deren Aktivitäten die eigene Arbeit gefährdet werden würde. Razzien der Bri ten, so die IRA, hätten des öfteren auch die Aushebung von IRA– Waffendepots zur Folge gehabt. Zwischen den beiden Belfaster Fraktionen, die zuletzt unter dem Namen Irish Peoples Liberation Organisation (IPLO) operierten, kam es zu intensiven Diskussionen mit der Dubliner Gruppe über die Zukunft der INLA. Im Dezember beschlossen diese drei Fraktionen, die INLA aufzulösen, weil sie ihr Ziel verfehlt habe und durch „kriminelle Aktivitäten korrumpiert“ worden sei. Eine vierte Gruppe um Mary McGlinchey und den ehemaligen Stabschef der INLA, John OReilly, opponierte gegen diese Entscheidung. Um die Auflösung der INLA zu verhindern, entwickelten sie verstärkte Aktivitäten. Im Dezember brachten zwei maskierte Mitglieder dieser Fraktion mehrere Dubliner Journalisten zu einer geheimen Waffenschau im Grenzgebiet zwischen Nord– und Südirland, und im Januar verübte die Gruppe einen Anschlag auf David Calvert, den Stadtrat von Ian Paisleys rechtsextremer Democratic Unionist Party. Am 20. Januar wurden John OReilly und ein weiteres INLA–Mitglied, Thomas Power, in einer Dundalker Hotelbar erschossen. In einer Presseerklärung begründete ein Sprecher der Belfaster INLA die Morde damit, daß die Organisation „ein für alle Mal aufgelöst“ werden solle. OReilly und Power hätten sich an diesen Beschluß nicht gehalten. OReilly war bereits seit 1984 in der INLA stark umstritten. Nachdem Dominic McGlinchey verhaftet worden war, übernahm OReilly die Rolle des Stabschefs. Um seine Position zu festigen, ging er mit Waffengewalt gegen seine Gegner in der IRSP und INLA vor. Höhepunkt seiner Kampagne war der Mord an dem Generalsekretär der IRSP, Seamus Ruddy, den er im Mai 1985 in einem Park in Paris erschoß. Nach eigenen Angaben hatte OReilly den Generalsekretär vorher gefoltert, um Angaben über Waffenverstecke der INLA zu erhalten. Ruddys Leiche ist bis heute nicht gefunden worden. Das Ziel, die INLA aufzulösen, ist mit den Morden an OReilly, Power und Mary McGlinchey nicht erreicht worden. Bereits bei OReillys Beerdigung schworen Mitglieder seiner Gruppe Rache an den Attentätern, deren Identität ihnen bekannt sei. Im Übrigen bestritten sie die Pläne, daß die INLA aufgelöst werden solle, sondern behaupteten, es handele sich bei den Morden um einen „Putschversuch pro– britischer Elemente“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen