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Afrikas „Musterländle“ zwischen den Stühlen

■ Morgen beginnt in Gaberone das Jahrestreffen der „Konferenz zur Koordinierung der Entwicklung des südlichen Afrikas“ (SADCC) / Botswana im Konflikt zwischen Solidarität mit Frontstaaten und wirtschaftlicher Abhängigkeit von Südafrika

Von Hans Brandt

Gaberone (taz) - In aller Eile brausen die Limousinen durch die Stadt. „SADCC“ verkünden die roten Nummernschilder, und die Bevölkerung nickt verständnisvoll. Zwar beginnt das Jahrestreffen der „Konferenz zur Koordinierung der Entwicklung des südlichen Afrikas“ erst am Donnerstag, doch schon seit Ende letzter Woche ist die Hauptstadt von Botswana mit ihren knapp 100.000 Einwohnern von den SADCC–Delegierten überlaufen. In zahlreichen Treffen werden die Konsultationen der neun SADCC– Staaten - Angola, Botswana, Lesotho, Malawi, Mozambique, Swaziland, Tanzania, Zambia und Zimbabwe - mit ihren internationalen Partnern, allen voran den skandinavischen Ländern, vorbereitet. Obwohl die Hotelzimmer ausgebucht sind und das moderne Telefonnetz unter dem Ansturm der ausländischen Gäste manchmal den Geist aufgibt, ist Gaberone durch den Riesenaufwand einer solchen Konferenz nicht überlastet. Botswana mag, neben Swaziland und Lesotho, eines der kleinsten SADCC–Länder sein, doch es wird für seinen Wohlstand vielerorts beneidet. Fast wie in Johannesburg verstopfen die Autos im Berufsverkehr die Straßen. Bei der Vielfalt der Güter in den Geschäften kann selbst Harare, die Hauptstadt des wirtschaftlich stärksten SADCC–Landes Zimbabwe, nicht mithalten. Anders ausgedrückt, die Devisenreserven von Botswana belaufen sich zur Zeit auf etwa 2 Mrd. Mark, genug, um die Importe für zwei Jahre zu finanzieren. Das ist fast unerhört in dieser hochverschuldeten Region, in der andere Länder etwa 60 Prozent ihrer Deviseneinkünfte für Schuldzahlungen aufwenden müssen. Musterländle ist Botswana auch in anderer Hinsicht: Es gilt als demokratisch. „Wir bleiben draußen - BNF“, verkündete jüngst eine Schlagzeile. Die Vertreter der linken Oppositionspartei „Botswana National Front“ in der Diamantenminenstadt Jwaneng werden die Sitzungen des Stadtrates, in dem sie die Mehrheit stellen, auch weiterhin boykottieren. Dieser Protest gegen die un lauteren Praktiken der pragmatisch–liberalen Regierungspartei „Botswana Democratic Party“ (BDP) wäre in den meisten afrikanischen Ländern undenkbar. Allerdings braucht sich die BDP unter Präsident Quett Masire um ihre Macht nicht zu sorgen. Sie regiert schon seit der Unabhängigkeit 1966, ohne Putsch, mit regelmäßi gen Wahlen. In dieser Zeit ist das Einkommen des Landes ständig schneller als die Bevölkerung gewachsen. Zwar ist Botswana zum größten Teil Wüste - nur an der östlichen Grenze mit Südafrika gibt es einen schmalen, vergleichsweise fruchtbaren Landstreifen. Doch die Entdeckung und Förderung wichtiger Bodenschätze, darunter Kupfer und Diamanten, hat das Wachstum forciert. Kein Wunder, daß die für andere Städte der Dritten Welt charakteristischen Slumsiedlungen in Gaberone unbekannt sind. Botswana hat dafür jedoch bezahlen müssen. Eines der wichtigsten Ziele der SADCC ist die wirtschaftliche Abkopplung dieser Länder von Südafrika. Doch gerade Botswana hat seinen Wohlstand nur durch eine enge Bindung an den Apartheid–Staat erreichen können. Südafrikanische Konzerne fördern Botswanas Bodenschätze. Es gehört zusammen mit Swaziland und Lesotho zur Zollunion mit Südafrika. Das bringt zusätzliches Einkommen, doch erzwingt auch Importe aus Südafrika und verhindert die Entwicklung eigenständiger Industrie. Auch politisch sind die Kosten erheblich. Letztendlich bestimmt Pretoria, welche südafrikanischen Flüchtlinge in Botswana erlaubt sind. Da hilft auch Botswanas wiederholt betonte Opposition gegen die Apartheid nichts. Das gilt besonders nach dem Überfall südafrikanischer Einheiten auf angebliche ANC–Häuser in Gaberone im Juni 1984. Seitdem können südafrikanische Flüchtlinge nur mit Schwierigkeiten in Gaberone ein Haus mieten. Viele sind, fast wie in Südafrika, untergetaucht, um nicht des Landes verwiesen zu werden. Wer zu viele Besucher aus Südafrika hat, kriegt Probleme mit den Nachbarn. Politische Aktivisten schlafen schlecht. Jederzeit könnten die Südafrikaner wieder angreifen. Indessen scheint die Regierung von Botswana bereit zu sein, weitere Zugeständnisse an Pretoria zu machen. Doch die Frontstaaten drängen auf Sanktionen gegen Südafrika. So wird Botswana sein Verhältnis zu Südafrika äußerst vorsichtig gestalten müssen, wenn es nicht an Ansehen in der Gemeinschaft der Staaten des südlichen Afrikas verlieren will.

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