: Börner feuert Joschka Fischer Rot–grüne Koalition geplatzt
■ ALKEM–Streit zerstört die erste rot–grüne Koalition der Republik / Holger Börner will im Landtag die Vertrauensfrage stellen / Grüne verlangen Auflösung des Landesparlaments / CDU und FDP für schnellstmögliche Neuwahlen
Von Klaus–Peter Klingelschmitt
Wiesbaden (taz) - Der hessische Ministerpräsident Holger Börner (SPD) hat gestern seinen Minister für Umwelt und Energie, Joschka Fischer (die Grünen), gefeuert. Fischer, so Börner, habe auf der Landesversammlung der Grünen am Sonntag in Langgöns öffent lich erklärt, daß er seine letzte Rede als Minister gehalten habe. Er, Börner, habe dagegen in seiner Regierungserklärung am 5.11.86 vor dem Landtag ausdrücklich festgestellt, daß die Landesregierung die Nuklearbetriebe nicht schließen werde. Eine Streichung von Arbeitsplätzen sei mit den Sozialdemokraten nicht zu machen. Fischer, so Börner in seinem Schreiben abschließend, möge doch bitte einen Termin zum Empfang seiner Entlassungsurkunde mit dem Ministerpräsidentenbüro fernmündlich vereinbaren. Mit seinem Vorstoß hat Börner der rot–grünen Koalition endgültig den Todesstoß versetzt. Der Ministerpräsident will bei der nächsten Sitzung des Landtags am 17.2. die Vertrauensfrage stellen. „Wir wollen, daß die Grünen Börner das Mißtrauen aussprechen müssen“, so Regierungssprecher Thielemann. Die SPD hätte nach Stellung der Vertrauensfrage zwölf Tage Zeit, um eine neue Regierung zu bilden. Die Landtagsgruppe der Grünen kündigte am Montag ihrerseits die Einbringung eines Antrags auf Auflösung des Landtages an, der ebenfalls am 17.2. auf der Tagesordnung stehen wird. Die Neuwahlen, so die Grünen, könnten dann Mitte April über die Bühne gehen. Das war ein „Rausschmiß nach Mafiosiart“, meinte der Pressesprecher der Landtagsgruppe der hessischen Grünen, Reinhold Weist. Wie zu Startbahnzeiten versuche Börner, dem auch innerhalb der Partei die Felle davonschwimmen würden, in einem „Akt der Verzweiflung“ die Reihen doch noch hinter sich zu schließen. Joschka Fischer ließ sich denn auch nicht lange bitten. Um punkt 17 Uhr holte sich Joschka Fischer im Büro des Ministerpräsidenten seine Papiere ab. Der hessische CDU–Vorsitzende Wallmann sprach sich in Bonn für Neuwahlen in Hessen zum frühestmöglichen Zeitpunkt aus. Er sei bereit, als Spitzenkandidat für die CDU ins Rennen zu gehen. Auch die hessische FDP verlangte Neuwahlen. Ihr Landesvorsitzender Gerhardt erklärte, die Partei sei bereit, Wallmann zum Ministerpräsidenten zu wählen. Für die Linken innerhalb der hessischen SPD muß die Nachricht von der Entlassung Fischers durch Börner ein Schock gewesen sein. Noch am Vormittag hatte nämlich der Parteivorstand Hessen–Süd die Verlegung des Bezirksparteitags auf den kommenden Sonnabend signalisiert, um vielleicht doch noch eine Wende in Sachen ALKEM herbeiführen zu können. Landwirtschaftsminister Görlach (SPD) erklärte, die Entscheidung über eine Aufkündigung der Koalition könne nicht von wenigen Personen getroffen werden. Kommentar der Frankfurter Jusos: „Börner hat den falschen Minister entlassen.“ Der niedersächsische SPD–Chef Gerhard Schröder brachte dagegen eine Koalition mit der FDP ins Gespräch. Tagesthema auf Seite 3 Kommentar auf Seite 4
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