: § 218: Nürnberg schafft Tatsachen
■ Einstellung der Chefärzte beschlossen / Verwaltungsgericht Ansbach hatte neue Ausschreibung verlangt
Aus Nürnberg Bernd Siegler
Die rot–grüne Mehrheit im Nürnberger Stadtrat ließ sich auch von einem Verwaltungsgerichtsurteil nicht schrecken. Mit 40 gegen 31 Stimmen besetzte der Rat zwei Chefarztstellen in der städtischen Frauenklinik. Zwei Tage zuvor hatte das Ansbacher Verwaltungsgericht eine neue Ausschreibung gefordert und die ursprüngliche Ausschreibung, in der von den Bewerbern die Bereitschaft zur Abtreibung gefordert wurde, für verfassungswidrig erklärt. Mit dieser Forderung biß die Bezirksregierung von Mittelfranken und das bayerische Innenministerium bei Stadtverwaltung und Stadratsmehrheit auf Granit. Rechtsreferent Dr. Richard Sauber, sonst eher dem Kanalarbeiterflügel zuzurechnen, verteidigte den Ausschreibungstext. Das Verwaltungsgericht hatte den Text gerügt, weil eine bestimmte Bewerbergruppe, die Abtreibungen ablehne, ausgeschlossen würde. Diese Argumentation bezeichnete Sauber als „rechtsirrig“ und „grob unlogisch“. Es sei allgemeine Praxis bei Ausschreibungen, sich nicht nur auf die Beschreibung der konkreten Stelle zu beschränken. Die Grünen hatten bereits nach dem Urteil angekündigt, die Chefärzte auf jeden Fall zu bestellen, um damit Tatsachen zu schaffen. Die SPD machte ihr Verhalten letztendlich vom Oberbürgermeister Dr. Urschlechter abhängig. Dieser, vor fünf Jahren wegen „Linkstendenzen“ aus der SPD ausgetreten, ist von der rechtlichen Korrektheit der Ausschreibung fest überzeugt. Da der Text von ihm und der Verwaltung entworfen worden war, mußte er sich durch das Kesseltreiben von Kirche, CSU und Staatsregierung persönlich angegriffen fühlen. Durch den sofortigen Vollzug der jetzigen Ratsentscheidung erschwert er eine erneute Beanstandung dieses Beschlusses. Unterzeichnen die beiden Ärzte den ihnen sofort zugestellten Vertragsentwurf, wird dieser für die Stadt rechtskräftig und bindend. In der nicht–öffentlichen Stadtratssitzung verschlug es der CSU die Sprache, als der grüne Stadtrat Murawski ein Interview des damaligen Justiz– und heutigen Sozialministers Karl Hillermeier vom 24.9.76 verlas. Der stellvertretende Ministerpräsident hatte die Bestimmung der Funktion von Krankenhäusern in die Hände der Kreistage und damit auch der Kommunalparlamente gelegt. „Besteht keine Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch, soweit er gesetzlich zugelassen ist, bliebe bei der Sozialpflichtigkeit des Staates durchaus zu überlegen, solche Möglichkeiten zu schaffen.“ Nichts anderes, so die Grünen, habe der Nürnberger Stadtrat mit dieser Ausschreibung gemacht. Lediglich eine kleine Privatklinik führte bisher Abtreibungen nach der sozialen Indikation durch.
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