piwik no script img

Einzelhaft für AIDS–Virusträger

■ Nürnberger Polizei sucht „weitere Opfer“ / „Komitee AIDS und Menschenrechte“gegründet / Gegen Kriminalisierung eines Gesundheitsproblems / Bayerisches Kabinett wird nächste Woche über AIDS beraten

Aus Nürnberg Bernd Siegler

Der 45jährige AIDS–Virusträger, gegen den die Staatsanwaltschaft Nürnberg am 5.Februar Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung erlassen hatte, sitzt in Einzelhaft. Gegen ihn wird wegen des Verdachts ermittelt, er habe „als HIV–Träger in Kenntnis seiner Infektion durch ungeschützten Verkehr seinen Geschlechtspartner infiziert“. Einen Rechtsanwalt hat der homosexuelle Amerikaner, der seit zehn Jahren in der BRD lebt, noch nicht. Wie Justizpressesprecher Guerrein der taz mitteilte, hat der Betroffene in der U–Haft die Möglichkeit, solche Kontakte mit anderen Inhaftierten aufzunehmen, bei denen eine Infizierung ausgeschlossen sei. Weitere Einzelheiten zu diesem ersten und einzigen derartigen Fall in der BRD wollte Guerrein unter Berufung auf den Persönlichkeitsschutz nicht nennen. Auch nicht, woher die Information stammt, daß der Betroffene Virusträger ist. Daß Kriminalbeamte in Zivil im Auftrag der Staatsanwaltschaft einen Nürnberger Sauna–Club aufsuchten und dort Lichtbilder des Inhaftierten vorlegten, bestätigte Guerrein. Nach einem Augenzeugenbericht erklärten die Zivilbeamten den Saunabesuchern, daß der auf den Fotos abgebildete Mann „AIDS hat“. Jeder, der mit ihm etwas gehabt habe, könne davon ausgehen, daß er sich angesteckt habe. Zweck dieser Maßnahme, so Guerrein, sei die Ermittlung „weiterer Opfer“. Als Reaktion auf die Inhaftierung des 45jährigen wird am Aschermittwoch in Nürnberg auf Einladung des „Nürnberger Schwulenforums“ und des Stadtteilzentrums DESI ein „Komitee AIDS und Menschenrechte“ gegründet. Das erste Komitee in dieser Art in der BRD kämpft für die „Einhaltung der Menschenwürde der HIV–Positiven und AIDS– Kranken“ und will der Kriminalisierung eines Gesundheitsproblems umfassende Aufklärung entgegensetzen, erläuterte Bernd Offermann, Redakteur der Schwulenzeitung „Rosa Flieder“. Ursprünglich war die Gründung erst für April vorgesehen. München (ap) -Voraussichtlich Mitte nächster Woche wird das bayerische Kabinett nach Angaben des Münchener Innenmini steriums über ein „ganzes Bündel von AIDS–Maßnahmen“ entscheiden, darunter auch eine Meldepflicht. Metzger teilte weiter mit, daß Kabinettsvorlagen zum Thema AIDS sowohl vom bayerischen Innen– wie auch vom Sozialministerium bereits erstellt worden seien. Über diese Vorlagen könne jedoch vor der Kabinettsitzung nichts gesagt werden. Die SPD fordern ein Nationales Anti–Aids–Programm, in dem Bund, Länder und Gemeinden ihre Aktivitäten abstimmen und bündeln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen