piwik no script img

Volksfürsorge diskriminiert „Zigeuner“

■ Interne Mitteilung der gewerkschaftseigenen Versicherung will Rom– und Cinti–Mitglieder ausgrenzen / Fahrzeug– und Insassenunfallversicherungen werden nicht übernommen

Aus Hamburg Ute Jurkovics

Der Hamburger „Rom und Cinti Union“ (RCU) wurde ein internes Schreiben des Versicherungsunternehmens Volksfürsorge zugespielt, in dem den Angehörigen dieser Volksgruppe „Schadenmanipulation“ und vorsätzliches Provozieren von Auffahrunfällen vorgeworfen wird. Die Volksfürsorge sei deshalb an KFZ–Versicherungen mit Cinti und Roma nicht interessiert, heißt es in der internen Mitteilung. Bei Antragstellern, die sich auf das Pflichtversicherungsgesetz berufen, sollte nur die Haftpflicht mit den Mindestdeckungssummen, „auf keinen Fall aber eine Fahrzeug– bzw. Insassenunfallversicherung“ übernommen werden. Ein Sprecher der Volksfürsorge bestätigte gegenüber dpa die Existenz des Papiers, das aber nie weitergeleitet worden sei. Die Rom und Cinti Union hatte sich damit an den Vorsitzenden des DGB, Breit, gewandt. In einem Antwortschreiben teilte der Bundesvorstand des Gewerkschaftsdachverbandes nun mit, daß es die Volksfürsorge sehr bedaure, wenn der Eindruck entstanden sein sollte, „daß sich geschäftspolitische Maßnahmen gegen Angehörige der Rom und Cinti richteten“. Einige Versicherungsunternehmen versuchten zielstrebig, bestimmte „Risikogruppen“ her auszudrängen. Diesem Vorgehen habe sich die Volksfürsorge nicht angeschlossen. Es würde aber die Leistungsfähigkeit des Unternehmens übersteigen, „alle Autofahrer, denen von anderen Versicherungsgesellschaften der Zugang verwehrt oder erschwert werde, zu versichern“. Der Vorsitzende der Rom und Cinti Union, Dawozynski, berichtete gestern auf einer Pressekonferenz in Hamburg von ähnlich diskriminierenden Erfahrungen mit anderen Versicherungsgesellschaften. Oft würden Angehörige seiner Volksgruppe nach Unfällen, die sie nicht verursacht hätten, mit Strafanzeigen von seiten der Versicherungen verfolgt, weil diese die Schadensregulierungen nicht übernehmen wollten. Die RCU werde alle rechtsstaatlichen Mittel ausschöpfen, um gegen die „kriminalisierenden und rassistischen Geschäftspraktiken der Volksfürsorge vorzugehen“. Insbesondere die Behauptung, die Rom und Cinti nähmen die Verletzung anderer Verkehrsteilnehmer bewußt in Kauf, soll als „üble Nachrede“ und „Verleumdung“ angezeigt werden. Für die RCU stellt sich außerdem die Frage, wie Versicherungen an Daten über die Zugehörigkeit zu ihrer Volksgruppe kommen. Eine Anfrage der RCU beim Hamburger Datenschutz wird dort zur Zeit noch geprüft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen