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P O R T R A I T Ein Lied für die Revolution

■ Der portugiesische Sänger und Liedermacher Jose Afonso ist tot / Sein Lied „Grandola Vila Morena“ war im Jahre 1974 das Signal für den Beginn der Nelken–Revolution

„Schlichter Jose Afonso der sonnenerfüllten Algarve, der Boote mit vollen Segeln, des unendlichen Alantejeo ohne Erlösung, der Pinienhaine der Melancholie, der maßlosen Leidenschaften, des Glücksgefühls, Bruder zu sein. Jose Afonso ist die erste Stimme der Masse, die als Feuersturm vorangeht, er ist der höchste Gallenkamm und der zarteste Funke des Mondlichts auf dem Strand der zornigen Poesie, der neuen Ballade.“ So sieht der portugiesische Schriftsteller Urbano Taveres Rodrigues den Sänger und Komponisten Jose Alfonso, dessen berühmtes Lied „Grandola Vila Morena“ am 25. April 1974 um 0.25 Uhr über den Sender Radio Reascenca ausgestrahlt wurde und das Zeichen zum Sturz der portugiesischen Diktatur gab. Jose Afonso starb am Montag nach langer Krankheit. Geboren am 2. August 1929 in Aveiro, verbrachte er einen großen Teil seiner Kindheit in Angola und Mozambique. Als Student an der philosophischen Fakultät von Coimbra sang er zunächst die traditionellen Balladen, den „Fado de Coimbra“ um dann eigene Lieder zu verfassen. Er galt als der Pionier der „canao de intervenao“, des kritisch „engagierten Lieds“ in Portugal. Schon früh erregte er mit seinen bissigen und vieldeutigen Liedern das Mißtrauen der Diktatur. Über sein Lied „Junge aus dem schwarzen Viertel“ wurde ein Ausstrahlungsverbot im Radio verhängt. Mehrfach wurde Jose Afonso verhaftet, um öffentliche Auftritte vor Arbeitern zu verhindern. Während dieser Zeit des Berufsverbots schrieb er neue Lieder, darunter sein Lied über die alentejanische Stadt Grandola. Jose Afonso hat die portugiesische Revolution, die aufkeimenden Basisbewegungen und ihr Ringen gegen die Mächtigen mit all seiner Kraft unterstützt. Mit seinen Liedern und seiner unermüdlichen Solidarität ermutigte er die Menschen in ihrem Kampf. Seine Lieder wurden weit über Portugal hinaus bekannt. 24 Platten wurden veröffentlicht, 14 davon nach dem Ende der Diktatur. Doch fand er, obwohl er der bedeutendste Liedermacher Portugals war, gerade im politischen Klima der letzten Jahre nur verhaltenes Interesse bei den Herren des portugiesischen Kulturbusiness. Dennoch sind seine Lieder heute zu den Volksliedern des demokratischen Portugal geworden. So bekannt wie Jose Afonso durch sein Lied „Grandola Vila Morena“ wurde, so uneigennützig und tiefgreifend hatte er sich Zeit seines Lebens engagiert und der linken Bewegung verpflichtet. Wegen seiner Krankheit konnte Jose in den letzten Jahren kaum mehr auftreten und war auf die Hilfe von Freunden angewiesen, um den Unterhalt seiner Familie sichern und die in Portugal teure medizinische Behandlung bezahlen zu können. Für seine Begräbnisfeier wünschte Jose Afonso, daß auf alle Zeremonien, Blumen etc. verzichtet werden sollte. Statt dessen sollte sein Tod für alle Anlaß sein, Lieder zu singen. Auch in der BRD wurde zur Unterstützung aufgerufen. Diesen Aufruf möchten wir jetzt zugunsten seiner Familie noch einmal wiederholen. (Postscheckkonto Hamburg, Nr. 60 50 06 - 204, BLZ 200 100 20, K. Goltermann). Cordula Stucke, Fritz von Wedel

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