piwik no script img

„Alkem war nie genehmigungsfähig“

■ Rechtsgutachten spricht Wallmann (CDU) das Recht ab, Hessen zur Erteilung einer Genehmigung für ALKEM zu zwingen / Der abgesetzte Umweltminister Fischer wäre für Genehmigungsverfahren zuständig gewesen

Von K.P.Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Der kommissarische hessische Umweltminister Armin Clauss (SPD) bunkert zur Zeit in Wiesbaden ein brisantes Gutachten ein. Nur Tage nach der Amtsentlassung Joschka Fischers aus dem Amt landete nämlich ein noch von diesem in Auftrag gegebenes zweites Gutachten des Berliner Rechtsanwalts Rainer Geulen auf dem Schreibtisch von Clauss. Darin wird dem Umweltminister die immissionsschutzrechtliche Zuständigkeit für die Hanauer Plutoniumfabrik ALKEM zugeschrieben. Der für atomrechtliche Genehmigungsverfahren zuständige hessische Wirtschaftsminister Ulrich Steger (SPD) hatte dagegen seinem damaligen Kabinettskollegen Fischer die Aushändigung der in seinem Besitz befindlichen ALKEM–Akten mit dem ausdrücklichen Hinweis verweigert, der Grüne sei nicht zuständig. Daß Bundesumweltminister Walter Wallmann (CDU) am 6.2.87 den hessischen Wirtschaftsminister Steger gleichfalls aufforderte, im Rahmen der von Steger erteilten, (möglicherweise rechtswidrigen) 6. Vorabgenehmigung eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung einzuholen, erhärtet die Auffassung Geulens. Der Rechtsanwalt geht in seinem Gutachten noch einen Schritt weiter. Da die Plutoniumfabrik ALKEM hauptsächlich mit der Abwicklung chemischer Prozesse befaßt sei, müsse zunächst geprüft werden, ob die ALKEM–Anlagen überhaupt dem atomrechtlichen Anlagenbegriff unterliegen: „Ist dies nicht der Fall, sind sie nach § 7 Atomgesetz (AtomG) ohnehin nicht genehmigungspflichtig, sondern bedürfen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, für deren Erteilung zum gegenwärtigen Zeitpunkt alle Voraussetzungen fehlen.“ Über das Bundesimmissionsschutzgesetz(BimschG) hätte Fischer als Bundesauftragsverwal ter demnach die Möglichkeit gehabt, der ALKEM die notwendige Genehmigung zu versagen. Daß diese zentrale Frage von Geulen nicht abschließend bewertet werden konnte, habe ausschließlich daran gelegen, daß dem Gutachter nur wenige Akten zur Verfügung standen, meinte Ex–Umweltminister Joschka Fischer im Gespräch mit der taz. Fischer bewertete es als „tragisch“, daß das von ihm in Auftrag gegebene zweite Geulen– Gutachten erst nach dem Koalitionsbruch fertig wurde. Dieses Gutachten werde die Grundlage für die Koalitionsverhandlungen in der ALKEM–Frage sein, falls es am 5. April so weit kommen sollte. „Das wird Auswirkungen bis nach Bonn haben.“ Unabhängig von der Frage der Zuständigkeit des Umweltministers im laufenden ALKEM–Genehmigungsverfahren stellt Geulen weiter fest: „Die Anlagen waren zu keinem Zeitpunkt genehmigungsfähig. Die Anlagen sind auch jetzt nicht genehmigungsfähig, da durch den Betrieb der Anlagen nicht die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden getroffen ist.“ Das gelte auch für die von der ALKEM geplanten Anlagenerweiterungen. So habe die ALKEM das unter dem Druck einer Betriebsstillegung vorgelegte Konzept eines „Vollschutzes“ gegen Explosionen, Großbrände und Flugzeugabstürze nicht realisiert: Ausdrücklich spricht Geulen der Bundesregierung das Recht ab, den hessischen Wirtschaftsminister zur Erteilung einer Genehmigung zwingen zu können. Ein Bundesland könne nicht zum Erlaß eines „rechtswidrigen Verwaltungsakts“ angewiesen werden: „Die Rechtswidrigkeit der Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung ergibt sich sowohl aus dem Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigung zur Genehmigung der ALKEM–Anlagen als auch daraus, daß die atomrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen ... nicht vorliegen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen