: Bayern verletzt Atomgesetz
■ Klammheimliche Genehmigung für 186 kg Plutoniumgemisch im Jahre 1984 durch das bayerische Umweltministerium erteilt / Haben die verseuchten Arbeiter in Karlstein auch Plutonium inkorporiert?
Von Klaus–Peter Klingelschmitt
Frankfurt (taz) - Die 125 Arbeiter aus dem Karlsteiner Labor der Kraftwerk Union (KWU) sind möglicherweise - neben Americium 241 - auch durch das hochgiftige Plutonium verseucht worden. Nach Informationen der taz hat die bayerische Staatsregierung der KWU bereits 1984 den Umgang mit 168 kg Plutoniumgemisch in ihrem Versuchslabor in Karlstein genehmigt. Trotz der 1975 erfolgten Nivellierung des Atomgesetzes, das seitdem in Paragraph 7 eine Beteiligung der Öffentlichkeit an Genehmigungsverfahren für atomare Anlagen und insbesondere auch für Anträge auf Plutoniumverarbeitung zwingend vorschreibt, hat Bayerns Minister für Landesentwicklung und Umwelt, Alfred Dick (CSU), der KWU diese Genehmigung unter Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen erteilt. Die Öffentlichkeit, so Eduard Bernhard vom BUND–Naturschutz, sei über diesen „ungeheuerlichen Vorgang“ noch nicht einmal in Kenntnis gesetzt worden. Nach Mitteilung der Presseabteilung der KWU vom Donnerstag seien bisher bei zehn Arbeitern radioaktive Verseuchungen mit dem Nuklid Americium 241 festgestellt worden; weitere 115 KWU– Mitarbeiter werden auf Anordnung der bayerischen Staatsregierung hin noch untersucht. Americium ist ein Zerfallsprodukt von Putonium. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Americium ist ein Zerfallsprodukt von Plutonium. Bei dem Unfall bei NUKEM war bei den Messungen zunächst auch „nur“ Americium nachgewiesen worden. Daß auch das KWU–Versuchsla bor in Karlstein Umgang mit Plutonium hatte, war bislang nicht bekannt gewesen. Fest stand bisher nur, daß die KWU in Karlstein mit abgebrannten Brennelementen experimentierte. Von der KWU selbst war gestern weder in der technischen Abteilung in Offenbach noch in der Erlanger Zentrale eine Stellungnahme zu erhalten. Der Sprecher des bayerischen Umweltministeriums Graß wollte die Existenz einer Plutonium– Umgangsgenehmigung für das KWU–Labor in Karlstein auf Nachfrage weder bestätigen noch dementieren. Graß deutete an, daß das Americium möglicherweise nach Karlstein verbracht worden sei, denn „dort, wo es Orangen zu kaufen gibt, müssen ja keine Orangenbäume wachsen“. Die Kreisgruppe des BUND–Naturschutz in Aschaffenburg hat inzwischen bei der Staatsanwaltschaft am Amtsgericht Strafanzeige gegen die Geschäftsführung der KWU–Karlstein erstattet, da sich die KWU durch die Verseuchung von mindestens zehn Arbeitern der „fahrlässigen Körperverletzung“ schuldig gemacht haben.
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