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ANZUS stirbt - ANZUS lebt

■ Die Zukunft des pazifischen Verteidigungspaktes ist rosiger, als der öffentliche Zwist zwischen den USA und Neuseeland vermuten läßt / Anti–Atom–Kurs und steigende Militärausgaben vertragen sich offenbar gut

Von Eckart Garbe

Es ist schon seltsam. Drei Tage, nachdem im Kabinett seines australischen Amtskollegen Bob Hawke ein Weißbuch verabschiedet wurde, das die Verteidigungsaufgaben des fünften Kontinents neu definiert, präsentierte Neuseelands Regierungschef David Lange dem Parlament in Wellington am 26.2. ebenfalls ein Weißbuch seines Verteidigungsministers. Jetzt, nachdem seit Freitag letzter Woche auch das australische Dokument veröffentlicht ist, stellen sich große Ähnlichkeiten heraus. Beide Regierungen konstatieren eine wachsende Kluft zwischen eigenen Sicherheitsinteressen und denen der Schutzmacht USA. Und beide Staaten wollen ihre „Schnellen Eingreiftruppen“ stärken, um für kleinere Einsätze in der südpazifischen Inselwelt gewappnet zu sein. „Es ist an der Zeit, die geistigen Fesseln zu durchbrechen, die unsere Bedürfnisse festmachten an jenen von entfernten Ländern“, kommentierte der neuseeländische Premier David Lange, ohne die Vereinigten Staaten beim Namen zu nennen. Es scheint, als habe der vor Monaten öffentlich verkündete Quasi–Rausschmiß Neuseelands aus dem ANZUS–Pakt durch die Reagan–Administration die Kiwi–Inseln bestärkt, ihre Eigeninteressen jetzt an erste Stelle zu rücken. Wie Australien hatte sich auch Neuseeland bislang stets auf einen starken Verbündeten verlassen: zuerst auf England, dann auf die USA. Soldaten aus beiden Ländern kämpften seit der Jahrhundertwende auf Großbritanniens kolonialen Kriegsschauplätzen und in den Weltkriegen für die USA in Korea und Vietnam. Das alles soll jetzt beendet sein. „Die letzten neuseeländischen Truppen auf fremdem Boden kommen bis 1989 aus Singapur nach Haus“, sagt Neuseelands Verteidigungschef Frank OFlynn. Um potentielle Konfliktsituationen im Südpazifik zu bewältigen, soll statt dessen die Mobilität der 12.800 Berufssoldaten erhöht werden. Schon seit 1983 unterhält Neuseeland eine Interventionstruppe, die 1.200 Mann starke „Ready Reaction Force“, stationiert in Burnham. Jetzt ist daran gedacht, diese hochgerüstete Einheit durch ein bataillonsstarkes Kontingent zu verstärken, das Neuseeland bis 1989 in die Heimat zurückholt. Auch das Weißbuch des erst 37jährigen australischen Verteidigungsministers Kim Beazley erinnert an die klassische Rolle eines Regionalpolizisten. Es bezeichnet Australien als militärisch zur Zeit nicht bedroht; allenfalls werden Gefahren kleineren Ausmaßes durch die südpazifische Inselwelt und über den indonesischen Archipel erwartet. Doch ein Land wie Australien mit großen Flächen, vielen Rohstoffen, aber wenig Einwohnern und langen offenen Küsten könnte von den USA keine Sicherheits–Garantie erwarten, sondern müsse selbst für den Schutz des Kontinents sorgen. Deshalb ist geplant, die Air Force und die Navy mit High–Tech–Waffen hochzurüsten. Im Gegensatz zu seinem neuseeländischen Labour–Kollegen David Lange hält Australiens Regierungschef Bob Hawke jedoch am amerikanischen Atom– Schutzschirm–Bluff fest. Grund genug für die Reagan– Administration, David Lange zu sticheln, weil dieser Schiffe mit Atomantrieb oder Atomwaffen an Bord seit 1984 das Anlaufen der Häfen verbietet. Dies führte zum Knatsch im ANZUS–Pakt, dem seit 1951 bestehenden Militärbündnis zwischem Neuseeland, Australien und den USA; deshalb auch wird Neuseeland ab Mitte des Jahres für Rüstungskäufe in den Vereinigten Staaten teuerer zahlen müssen als bisher. Doch eine nähere Betrachtung der Politik Langes zeigt, daß das Konzept weit weniger radikal ist als es auf den ersten Blick scheint: Das Land hält die Tür zum ANZUS–Pakt durch seine bilaterale Zusammenarbeit mit Australien auch weiterhin offen. Australische Offizielle interpretieren den Streit als einseitige Schmollgeste Reagans: „Es ist nicht zutreffend, daß Neuseeland aus dem Abkommen ausgeschieden ist. Die USA haben lediglich einseitig auf ihre Pflichten verzichtet.“ David Lange geht noch heute soweit zu behaupten: „Das Abkommen steht.“ Er hoffe, daß die USA in der Zukunft eine Wiederaufnahme der militärischen Kooperation auch unter nicht–atomaren Vorzeichen zulassen würden. So ist sein Weißbuch denn auch eine offene Absage an alle Spekulationen oder Hoffnungen auf Neutralität und Blockfreiheit. Neuseeland bleibt danach nicht nur im westlichen Bündnis, sondern hält auch am geplatzten ANZUS–Dreierpakt fest, soweit sich dies auf konventionelle Streitkräfte bezieht. Verteidigungschef OFlynn geht zwar davon aus, daß es zur Zeit keine operativen Beziehungen im Rahmen des ANZUS– Pakts zu den USA gibt, doch für die Zeit nach Reagan sieht er sogar Chancen für ein Happy–End im ANZUS–Streit. Bis es allerdings soweit ist, kommen zuerst noch Wahlen: im Herbst in Neuseeland, kurz darauf in Australien und schließlich - etwa ein Jahr danach - in den USA. Erst dann wird sich wohl endgültig herausstellen, ob ANZUS nun gestorben ist oder nicht. Statistisch gesehen war Labour– Regierungen in Wellington selten eine zweite Amtszeit vergönnt. Schon geistert der neue konservative Oppositionskandidat, der Landwirt Jim Bolger, herum und geifert aggressiv das Weißbuch als schwaches Trostpflaster für den Ausverkauf an. Sollte er es im Herbst tatsächlich schaffen, dann dürfen US–Kriegsschiffe auch mit Atom sicherlich bald erneut Neuseeland besuchen.

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