: Sieben lange Monate Lagerkrieg
■ Neue Demonstrationen von palästinensischen Frauen in West–Beiruter Lagern / Syrischer Sicherheitschef verweist auf die Forderungen von Amal–Chef Berri / Palästinenser fordern mehr Garantien
Aus Nikosia Marc Stein
Der Krieg um die palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon geht in diesen Tagen in seinen siebten Monat. Am Montag demonstrierten 200 Palästinenserinnen vor dem Amtssitz des Ministerpräsidenten Karameh gegen die anhaltende Blockade der Lager Borj al Brajneh und Chatila am Rande Beiruts. Am gleichen Tag demonstrierten auch einige hundert Frauen in Borj al Brajneh. Die Frauen in diesem Lager mit seinen 20.000 Einwohnern haben seit einigen Wochen in wenigen Stunden täglich die Möglichkeit, das Camp über die sogenannte „Todespassage“ zu verlassen und frische Lebensmittel für ihre Familien einzukaufen. Mehr als 30 Frauen wurden seit dem Einmarsch der syrischen Truppen in Westbeirut am 22. Februar bei diesem Gang erschossen, 70 weitere verletzt. In Chatila hat sich die Versorgungslage erneut dramatisch zugespitzt; seit dem 1. März hat kein Versorgungskonvoi das Lager mit seinen rund 4.000 Einwohnern mehr erreicht. (Siehe taz vom 30.3.) Demgegenüber hat sich die Situation in den Camps nahe der südlibanesischen Hafenstadt Sur (Tyrus) soweit stabilisiert, daß das UN–Hilfswerk für Palästina– Flüchtlinge (UNRWA) die mona telang unterbrochene Arbeit in den letzten Wochen wieder aufgenommen hat, Schulen und Krankenhäuser wieder geöffnet wurden und sogar die ersten Familien, die zu Beginn der Kämpfe geflohen waren, in die drei Lager bei Sur zurückgekehrt sind. Zwar wird der Zugang zu den Lagern weiterhin von Amal–Milizionären beherrscht, die Bewohner können jedoch außerhalb einkaufen gehen und die internationalen Hilfsorganisationen die nötige Versorgung der Bevölkerung organisieren. In Beirut scheint jedoch noch keine Lockerung in Sicht zu sein. Ein Grund für das Anhalten des Lagerkriegs in der libanesischen Hauptstadt liegt offensichtlich darin, daß Syrien vorerst keinerlei Konfrontation mit der pro–iranischen Schiitenpartei Hizballah eingehen will, deren Hochburg die südlichen Vororte sind, mit denen Borj al Brajneh fast untrennbar verbunden ist. Die etwa 10.000 syrischen Soldaten sind nur in dieses Gebiet nicht vorgerückt. Die Kontrolle von Chatila, keine zwei Kilometer Luftlinie von ihrem Hauptquartier entfernt, könnten sie leicht übernehmen. Mit der Frage, warum die Syrer dem Drama, das sich vor ihrer Haustür abspielt, tatenlos zusehen, war bereits am Sonntag eine Delegation palästinensischer Frauen zum syrischen Hauptquartier gezogen. Auf eine stichhaltige Antwort seitens des syrischen Verantwortlichen Ali Hammoud, der für Sicherheitsfragen in Westbeirut zuständig ist, warteten sie allerdings vergebens. Hammoud verwies die Frauen lediglich auf die bekannten Forderungen von Amal–Chef Nabih Berri. Dieser macht die Aufhebung der Blockade abhängig von dem Abzug palästinensischer Truppen aus drei Dörfern nahe der Hafenstadt Saida südlich von Beirut. Aber die Palästinenser haben bereits eine andere Forderung Berris erfüllt, ohne daß sich das geringste geändert hat: Sie sind aus Maghdousheh abgezogen, einem Ort, den sie im vergangenen Oktober quasi als „Verhandlungsmasse“ im Lagerkrieg erobert hatten. Dies hatte keineswegs die von Amal zugesagte Aufhebung der Blockade zur Folge. Daher fordern die Palästinenser in Saida nun wenigstens Garantien für die Westbeiruter Lager, ehe sie sich aus ihren Positionen in den drei anderen Dörfern zurückziehen. Garantien für Westbeirut, gleich welcher Natur, können nur die militärischen Herrscher der Stadt geben. Und das sind seit dem 22. Februar die Syrer.
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