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Warum ist Gorbatschow verschnupft?

■ Die Verschiebung der Reise nach Prag nährt Spekulationen: Wollte der sowjetische Parteichef Dubcek treffen? / Widersprüchliche Positionen zwischen Moskau und Prag

Berlin (taz) - Gorbatschows Schnupfen, der offizielle Grund für die Verschiebung der Reise des Generalsekretärs nach Prag, nährt die Spekulationen. Schon Ende Februar tauchten Berichte auf, daß der geplante Besuch in der CSSR verschoben würde. Jetzt meldet Bild, Grund für Querelen, die angeblich zur Verschiebung des Besuchs führten, sei Gorbatschows Absicht gewesen, den Reformkommunisten Dubcek zu treffen. Er war Exponent des liberalen „Prager Frühlings“. 1968 wurde Alexander Dubcek nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen gestürzt und lebt seitdem zurückgezogen. Damit ist ein Gerücht in die Welt gesetzt, das nicht eines sensationellen Charakters entbehrt. Würde Gorbatschow Dubcek tatsächlich treffen, wäre der Reformkurs von 1968 rehabilitiert, eine Vision, die den Prager Machthabern das Blut gerinnen lassen muß. „Soweit kann Gorbatschow nicht gehen“, ist denn auch die durchgängige Meinung von Korrespondenten deutscher Zeitungen in Moskau. „Er kann nicht die gesamte CSSR–Führungspitze desavouieren. Das hätte Konsequenzen auch für die Beziehungen zu den anderen Staaten des sozialistischen Lagers und könnte für Gorbatschow negativ zurückschlagen.“ Andererseits glaubt aber niemand so recht an einen Schnupfen. „Denkbar sind auch Unstimmigkeiten über den Abzug von sowjetischen Kurzstreckenraketen, der in Moskau diskutiert wird“, interpretiert ein tschechischer Schriftsteller das Ereignis. „Auch gibt es Informationen über den Widerstand sowjetischer Militärs, die in der CSSR stationiert sind, in bezug auf den Gorbatschow–Kurs. Denn es wird auch erwartet, daß er den Rückzug der sowjetischen Truppen aus der CSSR zurückzieht.“ er

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