Serie Das Auto im Jahr 101: ADAC auf Um–(weltschutz)wegen
■ Alter Lobbyist in sauberen Kleidern / Das Goldene Kalb wird weiter angebetet - aber nur mit Katalysator
Acht Millionen und zweihundertneununddreißigtausendsiebenhunderteinundfünfzig Mitglieder hatte der Allgemeine Deutsche Automobilclub e.V. zum Jahresende 1986. Der Verein mit politischem Selbstverständnis ist damit der mitgliederstärkste Verband in der Bundesrepublik. Grund genug für ihn festzustellen: „Die Leistungen des Clubs wie auch seine Sachbeiträge zur Verkehrs–, Umwelt– und Steuerpolitik müssen wohl in Ordnung gewesen sein.“ Aber es zählen nicht nur seine Mitglieder; er sieht sich gern als Vertreter der Interessen von „über 26 Millionen Autofahrer(n)“, ohne die es in der Politik „kaum Mehrheiten, eindeutige schon gar nicht“ geben könne. Seine konkreten politischen Forderungen versieht der ADAC mit dem ganzen Gewicht seiner Mitglieder. Diese allerdings sind in der Hauptsache wegen der Serviceleistungen des Clubs Mitglieder geworden und erfahren ihre Interessen aus der kostenlos zugeschickten Vereinszeitung, der ADAC motorwelt. Der Name der Zeitschrift ist Programm: Dem ADAC gerinnt die Welt zur Motorwelt. Schon 1971 hatten wir in einer Analyse dieser Zeitschrift gezeigt, wie der ADAC die ganze Welt aus der Perspektive des ideellen Autofahrers wahrnimmt. Eine Durchsicht der ADAC motorwelt von 1986 führt zu einem interessanten Ergebnis. Der Anspruch ist der gleiche geblieben: Der ADAC vertritt Autofahrerinteressen, und diese strukturieren nach wie vor seine Welt. Zugleich aber zeigt sich, wie flexibel der ADAC sich den veränderten Verhältnissen angepaßt hat. Ich will dies an einigen wenigen Punkten verdeutlichen: - Während der ADAC früher auf der Gemeinnützigkeit des Autofahrerinteresses beharrte - wenns dem Autofahrer gut geht, gehts der Industrie und der Nation gut -, scheint er heute auf diese zentrale Argumentationsfigur verzichten zu wollen. Für seine heute nicht weniger manifeste Interessenpolitik benötigt er offenbar keine zusätzlichen Legitimationen mehr. - Während er früher vor Peinlichkeiten nicht zurückschreckte, (z.B. das „Manifest der Kraftfahrt“), ist ihm heute manches selber peinlich, so beispielweise jene unsägliche Fernsehsendung zum 100. Geburtstag des Automobils am 29. Januar 1986. Als Fernsehzuschauer habe man wenigstens abschalten können, die Live–Gäste hätten bleiben müssen (müssen?). Ganz ohne Peinlichkeiten gehts dann dennoch nicht ab: „Am meisten leid tat mir der Bundespräsident, der sich den 16–Millionen–Flop mit ansehen mußte. Wie kann man diesem Mann so etwas antun?“ - Während der ADAC früher gegen alles wetterte, was das Automobil behinderte, gibt er sich heute in der Form gemäßigter und vor allem: umweltbewußt. Keine Nummer im letzten Jahr, in der nicht der Katalysator und bleifreies Benzin eine Rolle gespielt hätten, in der nicht die Versäumnisse von Industrie, Handel und Politik angeprangert worden wären. Gerade hieran lassen sich die tatsächlichen Funktionen der ADAC– Politik analysieren: 1. Das Eintreten für den Katalysator - in der Tat zunächst gegen den hinhaltenden Widerstand von Industrie und Handel - macht den ADAC zu einem besseren Vertreter von Industrieinteressen, als diese ihn sich selber schaffen könnte. Setzt der ADAC durch, daß nur noch Katalysatorautos gesellschaftsfähig sind, dann ist ein wirklich großes Geschäft in Gang gekommen. 2. Mit solchen Strategien legiti miert sich der ADAC vor seinen umweltbewußter gewordenen Mitgliedern und den Angriffen von außen. Hierzu gehören übrigens auch jene Automobiltests, in denen der ADAC nachweist, daß manche der schadstoffarmen Autos bei Geschwindigkeiten von 50 km/h zu regelrechten Giftschleudern werden. Und - das ist fast wichtiger - er beruhigt das Gewissen der Autofahrer, die sich auf das Katalysatorauto einlassen. Das Automobil wird regelrecht zum Motor des Umweltschutzes. Und genau damit bleibt 3. alles beim Alten. Denn gegen das Auto als Mittel des Umweltschutzes kann nun wirklich niemand etwas haben. Die Zulassungszahlen werden steigen, und neue Straßen müssen im Interesse des Umweltschutzes gebaut werden. Unter diesen Bedingungen braucht über die anderen Folgen des Automobils - zum Beispiel für den Städtebau - gar nicht mehr geredet zu werden. Wie der ADAC wirklich denkt, entfährt ihm in einer Leitartikelpolemik zur Wanderausstellung „Alptraum Auto“, die in München ihren Ausgang nahm: „Nach dem offenkundigen Willen der ausstellenden Alpträumer soll das Auto in die Ecke gestellt, die individuelle Mobilität als Kultursünde verhöhnt und der Autofahrer an den Pranger gestellt werden. (...) Was soll eigentlich mit solchen Diffamierungskampagnen einiger, wahrscheinlich mit Steuergeldern geförderter Ideologen bezweckt werden? (...) Die 27 Millionen Autofahrer, vor allem die besonders umweltbewußten unter ihnen, werden Widerstand leisten müssen, wenn sie nicht unter das Diktat einiger Ideologen geraten wollen.“ Dieser Leitartikel zeigt das wahre Gesicht der ADAC–Umweltschutzpolitik. Es ist nur der modisch veränderte Mantel einer Politik, der das Automobil nach wie vor ein goldenes Kalb ist - heute natürlich mit Katalysator. Warum der ADAC seine zweifellos vorhandene gesellschaftliche Macht nicht für eine vernünftige Verkehrspolitik einsetzt, ist ziemlich unklar. Wenn er Tempo 30 innerorts und Tempo 100 auf Autobahnen propagieren würde - wäre das nicht ein großartiges Geschäft für die Industrie? Dazu hat er wohl nicht den Mumm und das Format - trotz seiner acht Millionen Mitglieder. Liebe Rätselgemeinde, keinen Grund sehen die Koalitionsparteien, ihren bisherigen „Atomkurs“ aufzugeben. Die Risiken dieser Energie seien so minimal, daß man sie guten Gewissens eingehen könne. Nun, wohin das führt, haben wir erneut am vergangenen Wochenende gesehen: Vor einem Jahr gabs in Tschernobyl einen „Supergau“, und jetzt hat die taz zum Jahrestag vier Sonderseiten herausgegeben mit dem Ergebnis, daß die taz–Wochenend–Wirtschaftsseite geopfert wurde und die werte Rätselgemeinde kein Kreuzworträtsel vorfand. Daher auch von hier noch einmal die Forderung: Abschalten, und zwar sofort! Immerhin, die Halbwertzeit für verschwundene taz–Rätsel ist noch geringer als die von Jod 132, und daher können wir bereits heute wieder rätseln, als wäre nichts gewesen. Eine ernsthafte Gefahr für Rätsel und Rätselnde hat jedenfalls wie immer nicht bestanden. Als Preis für die richtige Einsendung des Lösungswortes und zusätzliches Losglück winkt heute zweimal das nagelneue Buch: GELD FÜR DIE WELT - BUNDESDEUTSCHE BANKEN UND DRITTE WELT, ein Medico–International–Buch, Hrsg. Siegfried Pater (m. Beitr. v. R. Tetzlaff, T. Fues), Lamuv–Verlag, 176 S. Das Lösungswort ergibt sich, wenn wir die Buchstaben, die in die Kästchen mit den Zahlen im gesonderten Quadrat gehören, hübsch der Reihe nach anordnen. Einsendeschluß ist 9.5. (diesmal also schneller rätseln). Die Klassenjustiz ist natürlich bei unserem Rätsel ausgeschlossen. -ulk–
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