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Ein Palast für die Mandelas

■ Gesprächsthema Nr. 1 in Soweto ist der neue Bungalow, den Winnie Mandela für sich und ihren seit mehr als zwanzig Jahren inhaftierten Ehemann hat bauen lassen

Aus Soweto Hans Brandt

Der Blick aus dem Wohnzimmer ist beeindruckend. Im Vordergrund fließt der „Klipspruit“– Bach, der zwar übel riecht, dessen Ufer jedoch den einzigen richtigen Grünstreifen Sowetos bildet. Dahinter wandern die endlosen Reihen der berüchtigten kleinen „Streichholzschachtel“–Häuser den Hang hinauf. Links ragen die blauen Ränge des Orlando–Stadions über die Häuschen hinaus. Winnie Mandela, Frau des seit mehr als zwanzig Jahren inhaftierten ANC–Führers Nelson Mandela, hat für ihre neue Residenz in der „Beverley Hills“ genannten Luxusgegend von Soweto sicher eines der attraktivsten Doppelgrundstücke der Getto–Stadt ausgesucht. Das 700.000–Mark– Herrschaftshaus wird mit seinen sieben Schlafzimmern, drei Badezimmern, zwei Wohnzimmern und verschiedenen Empfangs– und Arbeitsräumen zumindest der Lage gerecht. Politisch scheint die „Mutter der Nation“ sich diesmal jedoch in die Nesseln gesetzt zu haben. Seit die Eigentümerin des von einer hohen Mauer umgebenen, mit spiegelnden Fenstern über die Township blickenden Hauses vor zehn Tagen bekannt wurde, wird in Soweto besonders eine Frage heiß diskutiert: Ist es angebracht, daß die „Mutter der Nation“, die Vertreterin der Armen, die bisher in einem normalen Township–Haus gewohnt hat, sich einen solchen Palast baut? Winnie Mandelas zukünftige Nachbarin wohnt in einem ärmlichen Häuschen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie sieht mich verblüfft an, als ich nach Kritik an dem neuen Mandela–Haus frage. „Es ist ein schönes Haus“, sagt sie, während ihre Kinder ihr über die Schulter gucken. „Ich freue mich, daß sie hier wohnen wird.“ Die Schülerin in dem Geschäft zwei Straßen weiter ist ganz anderer Meinung. „Ein Füh rer wie Mandela sollte in einem Haus wie alle anderen leben“, sagt sie nachdrücklich. „Wir Schüler sind alle dieser Meinung. Und auch wenn unsere Eltern sagen, daß es ein schönes Haus ist - die verstehen nicht, welche Zukunft wir uns wünschen!“ Ähnlich äußern sich zahlreiche Aktivisten in Soweto. Wenn der Bau wirklich ein Repräsentationsbau für den zukünftigen Präsidenten des Landes sein soll, dann sollte nicht Frau Mandela eine solche Entscheidung treffen, sondern „das Volk“. „Schlimm ist das alles, weil der Staat sein Äußerstes tut, um den seit Monaten in Soweto laufenden Mietboykott zu brechen“, sagt ein Aktivist. „Da werden Leute auf die Straße gesetzt, und Winnie Mandela baut sich einen Palast.“ Allerdings ist auch Winnie Mandela gerade eine Anmahnung ins (alte) Haus geflat tert, die mit der Zwangsräumung innerhalb von sieben Tagen droht, wenn sie ihre Mietrückstände nicht bezahlt. Seit Juni letzten Jahres protestieren die Einwohner von Soweto nämlich mit einem Mietboykott gegen die Soweto– Verwaltung, die ihnen von der Regierung aufgezwungen wurde. Die Verwaltung, die von den Mieteinnahmen lebt, hat Millionenverluste hinnehmen müssen und ist schon seit Monaten dem Bankrott nahe. „Beverley Hills“ mag neben Protea North und Diepkloof Extension eine der wenigen Viertel in Soweto sein, in denen Villen und Bungalows zu finden sind, die mit denen der Weißen zu vergleichen sind. Doch trotz des Namens ist „Beverley Hills“ mit dem Hollywood–Viertel nicht zu vergleichen. Es gibt noch immer Hunderte von winzigen „Streichholz schachtel“–Häusern. Das neue Mandela–Haus mag als das luxuriöseste und größte in ganz Soweto gelten - in den Reichenvierteln des weißen Johannesburg wäre es eher bescheiden. Finanziert wurde der Neubau von einem Mandela–Familien– Fonds im Ausland, in dem die zahlreichen an Nelson Mandela überreichten Preisgelder gesammelt werden. Sicherheit wird in der Konstruktion groß geschrieben. „Dort wirst Du nicht so einfach reinlaufen können wie hier“, sagt mir Winnie Mandelas Sekretärin, Elizabeth Mtshali. „Ich werde außerdem endlich ein richtiges Büro haben, mit meinem eigenen Telefon.“ Im neuen Haus sind die Empfangsräume vollkommen von den Wohnräumen getrennt, so daß die Familie vielleicht endlich ein Privatleben haben kann. „Nelson Mandela hat jahrzehntelang im Gefängnis gesessen“, sagt ein Mann, der selbst in „Beverley Hills“ wohnt. „Er verdient es, nach seiner Freilassung bequem leben zu können.“ Sicher wird der ANC–Führer die Aussicht aus dem Wohnzimmerfenster genießen. Doch dies ist immer noch Soweto. Im Winter kriecht der dichte Smog von den vielen Kohlefeuern durch das „Klipspruit“–Tal, bis das Orlando–Stadion nicht mehr zu sehen ist. Auch in „Beverley Hills“ werden Mandela die Augen tränen und der Hals kratzen. Dagegen helfen die abweisenden Spiegelfenster und die Mauer auch nicht.

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