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Umweltbewußter Betriebsrat unter Druck gesetzt

■ Betriebsrat im Bremer Hafen verlor seinen Job, weil er Strahlenmessung bei Milchpulver verlangte / Arbeitsgericht: Kündigung unwirksam, weil Chef mit falschen Angaben Druck machte

Aus Bremen M. Weisfeld

Entlassen werden konnte Rolf Dröder nicht, denn er ist gewählter Betriebsrat, und wessen er bezichtigt wird, war kein Gesetzesverstoß, sondern eher Pflichterfüllung: Er hatte dafür gesorgt, daß Milchpulver auf Radioaktivität untersucht wird, ehe er und seine Kollegen es im Hafen von Bremen verluden. Dennoch kostete ihn diese Vorsichtsmaßnahme den Job. Die Geschäftsführung des Stauereibetriebes Tiemann setzte ihn derart unter Druck, daß er einen „Auflösungsvertrag“ unterschrieb. Mit „arglistiger Täuschung“ habe ihn Tiemann dazu gebracht, stellte jetzt das Bremer Arbeitsgericht dazu fest und erklärte den „Auflösungsvertrag“ für unwirksam. Im März dieses Jahres war ein ungarischer Lastzug in den Bremer Überseehafen gerollt, beladen mit Milchpulver, das auf ein indisches Schiff geladen werden sollte. Rolf Dröder war Vorarbeiter einer Tiemann–Kolonne, die an diesem Tag an den Tiemann–Geschäftspartner Heinrichs ausge liehen war. Dieser Arbeitskräfte– Verleih zwischen den verschiedenen Hafenbetrieben ist ständige Praxis. Milchpulver aus Osteuropa via Bremen in die Dritte Welt - für Dröder und seine Kollegen war dieser Handelsweg Grund genug, das Gewerbeaufsichtsamt zu informieren und eine Strahlenmessung zu verlangen. Die Trockenmilch erwies sich als unbelastet, die Stauer luden sie in den indischen Schiffsbauch und waren damit zwei Stunden vor dem gesetzten Termin fertig. Wenige Tage später informierte Tiemann seinen Betriebsrat schriftlich darüber, daß die Firma Heinrich wegen des Vorfalls mit dem Milchpulver keine Arbeiter mehr von ihm ausleihen werde. Deswegen, so Tiemann und sein Geschäftsführer Sauer, müßten acht Arbeiter entlassen werden, es sei denn, der Auslöser der Geschichte, Betriebsrat Dröder, würde sofort die Firma verlassen. In einer gemeinsamen Sitzung legte Sauer den Betriebsräten eine Liste aller 50 Beschäftigten vor und forderte die Belegschaftsvertretung auf, acht Namen zur Entlassung anzukreuzen. Zu Dröder sagte Geschäftsführer Sauer: „Wie wollen Sie es denn verantworten, daß Ihretwegen acht Leute entlassen werden?“ Dröder wollte das nicht verantworten. Er unterzeichnete die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses und bekam eine Abfindung von 7.500 DM. Er zahlte die Summe auf ein Sperrkonto ein und wandte sich wenige Tage später ans Arbeitsgericht. Er verlangte, daß seine Unterschrift für rechtsunwirksam erklärt werde, weil sie durch Täuschung und unter Druck zustandegekommen sei. Das Gericht gab ihm Recht. Es hatte herausgefunden, daß die Firma Heinrichs ihrem Partner Tiemann lediglich mitgeteilt hatte, sie wolle „vorerst“ Tiemann–Leute nicht mehr „vorrangig“ beschäftigen, nicht aber grundsätzlich die Kooperation aufkündigen, wie Tiemann das seinem Betriebsrat gegenüber dargestellt hatte. Zu einer Entlassung von acht Arbeitern habe also kein Grund bestanden. Dröder sei durch diese falsche Darstellung „arglistig getäuscht“ worden.

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