: B–750: Die ganz andere Feier
■ Das fränkische Dorf Bimbach feiert sein 750jähriges Jubiläum / von S. Vogel und H. Höge
Wer glaubt, daß nur sogenannte Weltstädte wie Berlin fähig sind, Geschichtsbewußtsein zu zelebrieren, irrt. Die 182 Einwohner des Steigerwälder Gemeinwesens Bimbach - zwischen Bamberg und Würzburg gelegen - haben in der Vergangenheit ihres Heimatortes geforscht und beschlossen, es Berlin gleichzutun: 750 Jahre sind seit der ersten Beurkundung des Ortes vergangen, und das will gefeiert werden.
Fünf Monate, von Mai bis Okober 1987, wird das Festprogramm zur 750–Jahr–Feier in Bimbach dauern. Zur Eröffnung wurde unter Führung von Ortsvorsteher Erich Wexlberger und Bimbacher „Feldgeschworenen“ ein Gemarkungsgrenzgang einschließlich der Besichtigung der Keltischen Viereckschanze durchgeführt, und zum Ausklang am 24. Oktober werden Jagdhornbläser spielen. Dazwischen liegen Höhepunkte, die einer 750–Jahr–Feier durchaus angemessen sind: ein Festakt im Schloß mit Kammerorchester (Mozart) und Geschichtsvortrag, ein Festgottesdienst (ev.) und vier aufeinanderfolgende Festabende in der Schloßscheune. Das Herz des Ganzen aber war der historische Festumzug durchs Dorf und eine Ausstellung im Schloß. Auch das Wetter spielte mit, und es wurden über 2.000 Besucher allein an der Eintrittskasse zur Heimatschau gezählt. Die archäologischen Relikte einer keltischen Verteidigungsanlage deuten zwar auf höhere Jubiläen, doch die Ortschaft Bimbach ist erstmalig im Jahr 1237 urkundlich nachweisbar. Ein Dokument nennt „Binebach“ als eines der Dörfer, welche der Würzburger Bischof Hermann der Herrin Gertrud von Burg Stolberg als Sühnegeschenk übereignete. Auf die Idee, dieses runde Datum festlich zu begehen, wurde der Bimbacher Ortsvorsteher Wexlberger - bis zur Eingemeindung 1972 durfte er sich noch Bürgermeister nennen - von einem Berliner gebracht. Peter Hielscher, einer der Ausstellungsmacher der repräsentativen „Berlin–Berlin“–Schau im Gropiusbau hatte ein Jahr zuvor auf dem Weinfest in Prichsenstadt von den vielfältigen Selbstdarstellungsmöglichkeiten eines inszenierten Jubiläums geschwärmt. „Da müsse mer was draus mache“ befand der Gemeinderat und nachdem der württembergische Schloßbesitzer Dr.Schäfer sich zur Organisation des Festaktes (“des ist das Schwierigste“) bereit erklärt hatte, begeisterte sich nach und nach das gesamte Dorf für „das Übrige“. Monatelang wurden „mit Fleiß, Geduld und Hingabe“ Kostüme geschneidert, Festwagen dekoriert und längst ausrangierte Gerätschaften wieder instandgesetzt - so eine Handspritzpumpe der freiwilligen Feuerwehr von 1901 und eine rustikale Dreschmaschine, die von einem Deutz Baujahr 29 gezogen wurde. Die neumodischen Hochleistungskühe daran zu gewöhnen, wieder einen Pflug zu ziehen, brauchte auch seine Zeit. Historischer Festumzug Je nach „Temperament, Herkunft und Neigung“ fanden sich Gruppen zusammen, die an der Darstellung dieses oder jenes historischen Abschnitts arbeiteten: Unmittelbar nach der Frontkapelle aus Oberschwarzach führten die Kelten den Zug an, eine Horde Langhaariger mit Teddyfell– Schurz, Keulen und Bärten aus Klempnerhanf. Der verwegene Teil der Dorfjugend stellte die mit Mistgabeln bewaffneten Bundschuh–Bauern dar; das 1525 von diesen niedergebrannte Schloß war von einigen Bastlern als fahrbares Modell nachgebaut worden. KFZ–Schlosser führten als Schmiede eine brennende Esse mit sich und hämmerten auf einem Amboß . Nahezu authentisch reihte sich eine Frau mit Gipsverband in den Troß der Flüchtlinge des 30jährigen Krieges ein. Ein Nachbardorf stellte den Landsknechthaufen, während die älteren Junggesellen der Umgebung sich mit Dreispitz und Gamaschen zum Ferenthaler Regiment formierten. Mehrere Umzugswagen waren den verschiedenen Handwerken und bäuerlichen Tätigkeiten gewidmet. Fünf Kleintierzüchter stellten „die gute alte Zeit“ pantomimisch als Wilderer dar. Das Double des alten Barons Fuchs von Bimbach machte seine compliments standesgemäß von einem Zweispänner herab, Amazonen des Reit– und Fahrclubs - mit ledernen Heroldskappen - eskortierten ihn. Ein historisch zwar irritierendes aber dafür zukunftsweisendes Element fügte eine adrette Damenriege dem Festzug bei - sie firmierten als regionaler Fremdenverkehrsverein. Besonderen Beifall erhielten zwei Hochradfahrer, die zu einer altfränkischen Hochzeit gehörten, ein Vogelhändler und zwei weinspendierende Kelterer (die Söhne des herrschaftlichen Weingut–Pächters). Der Umzug mit über 300 Mitwirkenden endete bei der riesigen Schloßscheune, wo die Steigerwaldkapelle Oberschwarzach mit Unterhaltung und die Bimbacher Hausfrauen mit den Ergebnissen ihres fränkischen Kuchenback–Marathons aufwarteten. Auf dem Festplatz dudelten die Musikboxen von Schießbude, Losbude und Kettenkarussel los; Zugpferde grasen vor dem gotischen Tor - Überbleibsel des Schlosses aus der Zeit vor den Bauernkriegen. An der Seite, von Brennesseln (Spontanvegetation) überwuchert, lehnt ein weiteres historisches Relikt: ein schwerer Glacial–Findling mit einem eingemeißelten Hakenkreuz und der Inschrift „Dem Volkskanzler von seinen treuen Anhängern“. Im Mai 1932 war er auf dem Dorfplatz aufgestellt worden. Zwei Tage, bevor zwei Jeeps der Amerikaner Bimbach einnahmen, am 10. April 1945, wurde der „Hitlerstein“ mit einem Ochsengespann dahin gezerrt, wo er noch heute steht. Dunkle Seiten Bimbachs Das alles erfährt man in der Ausstellung, die auch „die dunklen Seiten der Bimbacher Geschichte nicht ausklammern“ wollte. Der Lehrer Karsten Hentrich und der Schloßeigentümer hatten die Exponate unter wachsender Mithilfe des Dorfes zusammengestellt. „Wir wollten eigentlich sehen, woher kommt Bimbach, und wir haben festgestellt, es ist nichts da.“ Über den Geschichtsvortrag von Prof. Dr. Otto Meyer auf dem Festakt schrieb schon Der Steigerwald–Bote am 4.Juli: „Der betagte Professor entledigte sich dieser Aufgabe mit Bravour und erntete dafür die Bewunderung seiner Zuhörer, zumal es im Fall Bimbach durchaus nicht so leicht war, eine prägnante und vor allem interessante Darstellung der geschichtlichen Zusammenhänge zu geben.“ Anhand von Verträgen und Dokumenten z.B. „sehen die Leute, daß es auch schon früher ein kompliziertes Gemeinwesen, mit bezahlten Handwerkern, gab. Dieses Wissen von Geschichte gibt der Ortsbevölkerung Selbstbewußtsein. Je kleiner der Ort, desto mehr ist das notwendig.“ Die Macht der Kleinheit - das war das Lieblingsthema von Dr.Schäfer: Nur in kleinen Gemeinschaften funktioniert es noch, daß alle mitmachen; „jeder weiß, auf ihn kommt es an. Bimbach ist das klassische Gegenbeispiel für die anonyme urbane Kultur, die im totalen Exzeß von New York endet und - entschuldigen Sie - auch in Teilen von Berlin, die nicht mehr in ein normales Leben zu integrieren sind.“ Gratulation vom Berliner Kollegen Berlins Bürgermeister Diepgen und Richard v. Weizsäcker - als „alter Berliner“ - gratulierten per Telegramm den Bimbachern zu ihrer 750–Jahr–Feier. „Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, daß Herr Diepgen aufgrund seiner vielfältigen Verpflichtungen im Rahmen der 750–Jahr– Feier Berlins Ihre Gemeinde leider nicht besuchen kann“ (Anlage: Berlin–Festschrift). Vom Land bekamen die Bimbacher 1.000 Mark Zuschuß gezahlt (was gerade zur Beflaggung des Ortskerns reichte). 80.000 Mark kostete das gesamte Fest, wobei „die Arbeit, die nicht berechnet werden kann, doch das wesentlichste ist“. Man hofft, daß die 79.000 Mark Schulden durch das Saufen wieder reinkommen. Landrat Naser hatte in seinem Grußwort - laut Steigerwälder Bote - bereits darauf hingewiesen, „daß Bimbach an zwei wesentlichen Errungenschaften des Landkreises Kitzingen bedeutenden Anteil habe, was sowohl den Wein als auch die kulturellen Güter betreffe“.
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