: Wollen Südafrikas Bosse verhandeln?
■ Nach drei Wochen Streik: Größter Bergbaukonzern Südafrikas verhandlungsbereit? / Erneut drei Arbeiter ums Leben gekommen
Aus Johannesburg Hans Brandt
Nach drei Wochen des Streiks von mehr als 300.000 Bergarbeitern in Südafrika scheinen die Konzernbosse zu Verhandlungen bereit zu sein. Dennoch wurden auch am Montag wieder Tausende von streikenden Kumpel auf die Straße gesetzt. Bei gewalt tätigen Auseinandersetzungen in verschiedenen Gold– und Kohleminen wurden erneut drei Bergarbeiter getötet. Bobby Godsell, Sprecher des größten Bergbaukonzerns Anglo American Corporation (Anglo), rief gestern vor der Presse die Bergarbeitergewerkschaft NUM zur Wiederaufnahme der abgebrochenen Tarifverhandlungen auf. „Wir werden für diese Gespräche keine Vorbedingungen stellen“, sagte Godsell. Damit scheinen die Arbeitgeber ihre bisherige ausdrückliche Weigerung, über eine Verbesserung der schon durchgeführten 23prozentigen Lohnerhöhung für schwarze Arbeiter zu verhandeln, aufzugeben. Die NUM hatte in den letzten Wochen wiederholt betont, daß nur Verhandlungen über die von ihr geforderte 30prozentige Lohnerhöhung den Streik beenden könnten. „Sollten die Arbeitgeber tatsächlich zu derartigen Verhandlungen bereit sein, wäre ein Ende des Streiks möglich“, sagte der NUM–Pressesprecher und stellvertretender Generalsekretär Marcel Golding zur taz. Anglo hat die streikenden Arbeiter der Schächte Zwei und Drei der Western Holdings nicht entlassen, obwohl das Ultimatum für die Wiederaufnahme der Arbeit am Montag morgen abgelaufen war. Das Ultimatum soll bis Mittwoch verlängert worden sein. Außerdem hatte die Anglo auch den Streikenden zweier anderer Goldminen (Schacht Nummer Neun von Vaal Reefs und Schacht Nummer Vier von Saaiplants) und zweier Kohlezechen im Osten der Provinz Transvaal (Springfield und New Denmark) ein ähnliches Ultimatum gestellt. In diesen Stollen sind über 20.000 Bergarbeiter angestellt. Fortsetzung auf Seite 6 Kommentar auf Seite 4 Godsell zufolge gehörte einer der getöteten Arbeiter bei der President–Steyn–Goldmine des Konzerns einer großen Gruppe von Arbeitern an, die zur Arbeit zurückkehren wollten und von streikenden Kollegen angegriffen wurden. Der Anglo–Werkschutz habe mit Gummigeschossen eingreifen müssen, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Der Gewerkschaft NUM zufolge sollen werkseigene Sicherheitskräfte, die die Arbeiter mit Gewalt zur Arbeit zwingen wollten, für den Tod des Kumpels verantwortlich gewesen sein. Zwei Bergleute starben, wie erst jetzt bekannt wurde, bereits am Samstag bei Zwischenfällen mit der Polizei sowie zwischen streikenden und arbeitswilligen Minenarbeitern auf dem Gelände der Goldmine Western Areas (rund 50 Kilometer südöstlich von Johannesburg). Weitere 15 Minenarbeiter seien bei den Unruhen verletzt worden, berichtete die Johannesburg Consolidated Investments (JCI). Die AAC teilte ihrerseits mit, am Morgen seien ein schwarzer Arbeiter bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Streikposten und Arbeitswilligen in der President–Steyn– Mine (rund 300 km südwestlich von Johannesburg) getötet und zehn Bergleute verletzt worden. Zu den Kosten der Entlassung mehrerer tausend Arbeiter sagte Godsell, daß Anglo am liebsten „keinen einzigen Arbeiter entlassen“ würde. „Dieser Streik ist für uns eine sehr teure Angelegenheit“, sagte der Anglo–Sprecher. Jüngste Schätzungen einer unab hängigen Forschungsgruppe, daß der Streik die Arbeitgeber bisher 190 Mio. Rand (etwa 170 Mio. Mark) an verlorenen Profiten gekostet hat, wurden von der Minenkammer, dem Verband der Arbeitgeber, als überhöht zurückgewiesen. Godsell sagte jedoch, daß sich bei Südafrikas überaus tiefen Goldbergwerken die engen, den Goldadern folgenden Schächte in zwei Wochen schließen könnten. Eine Neuerschließung der Adern sei gefährlich und kostenaufwendig. Bei Kohlebergwerken sei zu berücksichtigen, daß die Belieferung wichtiger Kraftwerke gesichert sein muß. Auch Finanzexperten meinen, daß mit Beginn der dritten Streikwoche eine wichtige psychologische Schwelle auf Gold– und Aktienmärkten überschritten ist. Es ist nun zu erwarten, daß der Goldpreis steigen wird. Godsell zufolge ist seit dem Wochenende eine „erhebliche Zahl“ von Arbeitern, vor allem in den Goldminen im Oranje–Freistaat, zur Arbeit zurückgekehrt. Damit hätte die Taktik der Arbeitgeber, durch Ultimaten an ausgewählte kleinere Gruppen von Arbeitern alle streikenden Kumpel einzuschüchtern, Erfolg gezeigt. NUM–Sprecher Golding dementierte jedoch, daß die Streikbeteiligung abnimmt. Sie will vor Gericht die Wiedereinstellung entlassener Arbeiter einklagen. Anglo hat inzwischen „vorübergehend“ neue Arbeiter eingestellt, um die Produktion aufrecht zu erhalten. Gerüchten zufolge sind gewerkschaftsfeindliche Arbeiter, angeblich mit Verbindungen zur Zulu–Organisation Inkatha, bei der Präsident Brand Goldmine im Oranje–Freistaat als Streikbrecher eingesetzt worden.
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